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Panorama: Tödliche Kettenreaktion

Schweinegrippe-Virus war die Ursache für das Organversagen bei einer Frau vor zwei Wochen in Essen

Die Schweinegrippe verläuft meist glimpflich, aber ohne Gewähr auf Harmlosigkeit – das ist jetzt auch in Deutschland klar geworden. Das Robert-Koch-Institut (RKI) zählt inzwischen mehr als 22 000 Erkrankungen bundesweit, die für die Betroffenen in aller Regel ohne schlimme Folgen verlaufen. Allerdings gibt es zwei Todesfälle in Nordrhein-Westfalen und Bayern, die in Zusammenhang mit der Schweinegrippe stehen. In einem der beiden Fälle – dem Tod einer 36-Jährigen vor knapp zwei Wochen in der Essener Uniklinik – bestätigte sich die Schweinegrippe als Ursache für das Organversagen der Frau.

Bei der Frau, die am 25. September im Universitätsklinikum Essen an Lungen- und Multiorganversagen starb, löste das H1N1-Virus offenbar eine tödliche Kettenreaktion aus, wie die Klinik am Donnerstag mitteilte. Die 36-Jährige musste zuvor mehrere Tage künstlich beatmet werden. „Die Untersuchung hat gezeigt, dass das H1N1-Virus die Pforte für antibiotikaresistente und letztlich tödliche Keime in der Lunge geöffnet hat“, sagte Kliniksprecher Burkhard Büscher. Vor ihrer Infektion mit der Schweinegrippe sei die Patientin gesund gewesen. Allerdings habe die 180 Kilo schwere Frau aufgrund ihres Übergewichtes zur Risikogruppe mit erhöhter Anfälligkeit gezählt, so Büscher. Nach den Angaben einer RKI-Sprecherin hat sich mit dem Todesfall die Lage in Deutschland nicht verändert, eine erhöhte Ansteckungsgefahr gebe es nicht.

„So ähnlich wie in Essen könnte es auch in unserem Fall gewesen sein“, sagte Peter Freisinger, leitender Oberarzt der Kinderklinik Schwabing in München. Dort war in der Nacht zum Dienstag ein Fünfjähriger an einer Lungenentzündung gestorben. Der Junge habe seit Jahren an einer schweren chronischen Krankheit gelitten. „Daran beteiligt war auch die Lunge“, so Freisinger. Bei dem Jungen könnte die Infektion mit H1N1 ebenfalls als „Türöffner“ für gefährliche Bakterien gewirkt haben. Allerdings werde es wohl keine Obduktion geben, die diese Frage klären könne, so der Oberarzt. Im Übrigen hätte auch eine Ansteckung mit der herkömmlichen Grippe – der sogenannten „saisonalen Influenza“ – ähnlich fatale Folgen haben können, so Freisinger.

Die Bürger haben bald die Wahl, ob sie sich gegen das kalkulierbare Risiko, das von der Schweingrippe ausgeht, durch eine Impfung wappnen. Für Risikogruppen läuft die bundesweite Impfung gegen das H1N1-Virus voraussichtlich am 26. Oktober an, die breite Bevölkerung kann sich etwa ab Mitte November impfen lassen. Am Donnerstag veröffentlichte die beim RKI angesiedelte Ständige Impfkommission (Stiko) dazu ihre Empfehlungen.

Die Stiko rät zunächst chronisch Kranken, Schwangeren und medizinischem Personal zu einer Impfung gegen die Neue Influenza A (H1N1). Wer beispielsweise an Asthma oder anderen Atemwegserkrankungen leide oder ein Kind erwarte, habe ein „mehrfach erhöhtes Risiko für einen schweren Krankheitsverlauf“, so die Kommission. Bei Ärzten und Krankenpflegern diene die Impfung vor allem der Eindämmung der Krankheit. Grundsätzlich könnten aber alle Bevölkerungsgruppen von einer Immunisierung gegen die Schweinegrippe profitieren, lautet die Empfehlung der Stiko. Bisherige Daten der Impftests ließen nicht auf eine besondere Häufung von Nebenwirkungen schließen.

Das neue Virus ist ansteckender als die bisher bekannten Grippeviren. Deshalb ist nun mit einer verstärkten Grippewelle zu rechnen. Alleine an der herkömmlichen Influenza sterben in Deutschland laut Stiko jährlich zwischen 8000 und 11 000 meist ältere Menschen. Wer sich vor beiden Grippearten schützen will, muss sich zweimal impfen lassen.

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