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Eine der "dame pipi", Gabrielle Adams, vor dem Protestplakat der Gewerkschaft.

© Sylvie Husson/AFP

Toiletten in Paris: Die Klofrauen kämpfen um ihren Job

Jahrzehntelang kümmerten sie sich um die Toiletten bei den Touristenattraktionen in Paris. Nun ist kein Platz mehr für die Klofrauen

Sie heißen Mahliya, Gabrielle, Clémentine oder Dédé. Sie sind zumeist afrikanischer Herkunft und gehören zu Paris wie der Eiffelturm, der Triumphbogen oder die Kathedrale Notre Dame. Dort, im Souterrain der bekannten Touristenattraktionen, befinden sich auch ihre Arbeitsstellen. Bisher jedenfalls. Denn seit dem 1. Juli dürfen sich die „Dames Pipi“, wie die Klofrauen im Volksmund heißen, nicht mehr um die Reinhaltung der stillen Örtchen in der französischen Hauptstadt kümmern.

Der neue Betreiber hat ihnen gekündigt

Der neue WC-Betreiber, ein niederländisches Dienstleistungsunternehmen, hat sie bei der Übernahme der elf öffentlichen Bedürfnisanstalten in Paris, gekündigt. Und auch vor dem Arbeitsgericht der Stadt haben die Toilettendamen am Dienstag verloren. Einen Eilantrag, mit dem sechs von ihnen gegen ihre Entlassung vorgingen, wurde von den Richtern abgewiesen. 150 Toiletten in 13 Ländern betreibt das Unternehmen aus den Niederlanden, das sich den Namen 2theloo gegeben hat, was englisch ausgesprochen soviel wie „aufs Klo“ bedeutet.

Seine Geschäftsidee besteht darin, aus schmutzigen und übel riechenden Örtlichkeiten elegante, von Designern gestaltete und mit Motiven aus der Umgebung dekorierte Toiletten mit angeschlossenen Boutiquen zu machen. Der Kunde, der diese „Lavatories“, wie sie das Unternehmen nennt, aufsucht, soll dort nicht mehr nur für ein paar Cent sein Bedürfnis erledigen, sondern gegen einige Euro auch seinen Bedarf an Hygieneartikeln von buntem Taschentüchern über duftende Markenseifen bis hin zu teuren Parfums decken können. Auf der Toilette soll sich der Kunde so in Zukunft nach den Regeln französischer Eleganz wie ein Vip wohl fühlen – nach diesem Konzept will 2theloo die öffentlichen Toiletten in Paris herausputzen.

Die künftigen Klofrauen sollen englisch sprechen

Für die „Dames Pipi“ ist in diesem Konzept kein Platz. Statt der biederen Frauen, die am Eingang diskret an einem Tisch mit einem Tellerchen sitzen, in das der Benutzer beim Verlassen mit einem undeutlich gemurmelten „Bonne journée“ sein Geldstück klirren lässt, und die mit in die Nase steigenden Reinigungsmitteln für Sauberkeit sorgen, soll dynamisches Personal die Toiletten-Boutiquen in Schwung halten. „Unsere Mitarbeiterinnen sollen englisch sprechen und als Verkäuferinnen geschult sein“, sagt Almar Holtz, der Geschäftsführer von Sarivo PointWC, der französischen Filiale von 2theloo.

Ist das das Ende einer Pariser Institution? Früher, da prägten noch die durch Klo-Automaten, sogenannte Sanisettes, abgelösten Vespasiennes das Bild der Stadt und lieferten auch den Stoff für literarische Arbeiten wie „Journal intime“ von Roland Topor oder Filme wie „Nur weil man nichts zu sagen hat, muss nicht seinen Mund halten“ von Jacques Besnard. Und nun müssen die Frauen, die seit Jahren dazu gehörten, dran glauben. „Man wirft uns weg wie gebrauchte Putzlumpen. Wir haben Kinder zu ernähren und finden keine andere Arbeit“, sagte Baya Fatoumata, eine 53-jährige Reinigungsfrau, die seit 1999 am Pariser Nordbahnhof arbeitet, der Zeitung „Le Figaro“, als sie Anfang des Jahres von den Plänen der Niederländer hörte.

Aktion "geschlossenes Klo"

Wie sie blicken auch andere Klofrauen auf lange Jahre im Dienst einer Pariser Reinlichkeit zurück, die nun nicht mehr ausreichend sein soll. Mit Unterstützung der Gewerkschaft Force Ouvrière (FO) trat Fatoumata mit ihren Kolleginnen in einen Streik, was manche Reisende damals in peinliche Verlegenheit brachte. Im Sommer kam es dann zu einem neuen Ausstand. Mehrere Tage lang demonstrierten sie vor den nahe der Basilika Sacré-Coeur am Montmartre gelegenen Toiletten, als der Rat der Stadt Paris sich anschickte, die Übernahme durch die Niederländer zu genehmigen. FO-Chef Jean-Claude Mailly machte ihnen Mut für die Aktion "geschlossenes Klo", mit dem sie um ihre Würde kämpften. „Es gibt noch ein Arbeitsrecht in Frankreich“, rief er den Frauen zu.

Möglicherweise waren die komplexen Vorschriften zum Schutz der Arbeitnehmerrechte bei der Vergabe der Konzession missachtet worden. Beim Vertragsschluss mit der Pariser Stadtverwaltung hatte das niederländische Unternehmen darauf bestanden, dass es die Beschäftigten nicht mit übernehmen müsse. Denn der Unternehmenszweck sei ja künftig ein anderer. „Wir sind keine einfache Reinigungsfirma, sondern ein Anbieter umfassender Serviceleistungen“, argumentierte das Unternehmen Sarivo PointWC jetzt auch vor dem Arbeitsgericht und bekam Recht. Erst einmal.
Denn Fiodor Rikov, der für die Frauen tätige Anwalt der Gewerkschaft FO, will sich mit der Entscheidung der Richter nicht abfinden. Er beruft sich auf einen Artikel im Arbeitsrecht Frankreichs, nach dem bei einem Eigentümerwechsel sämtliche bestehende Arbeitsverträge ihre Gültigkeit behalten. Bei der Übernahme hätte die Stadt Paris noch den Standpunkt des Vertragspartners akzeptiert, sagt der Anwalt. „Jetzt aber hat sie sich auf unsere Seite geschlagen und unterstützt den Berufungsantrag gegen den Richterspruch.“

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