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Panorama: Toller Hengst

Die Geschichte von dem verletzten Rennpferd Barbaro rührt die Amerikaner und beherrscht die Titelseiten der Zeitungen

Amerika spricht von Barbaro, bangt um sein Leben. Die Nation drückte die Daumen während der mehrstündigen Operation. Tagelang beherrschte die Story die Titelseiten der großen Zeitungen. Wenn man die Fernsehnachrichten einschaltete, gehörte das Gesundheitsbulletin zu den Top-News. Und dann schwenkten die Kameras auf wartende Fans vor einer Spezialklinik, auf Rosensträuße, Äpfel, Karotten und Poster mit Genesungswünschen. Viele Menschen weinen. Ginge es um einen Showstar, könnten Mitgefühl und Medieninteresse kaum größer sein.

Wahrscheinlich ist Barbaro inzwischen wirklich ein Star, nur kein menschlicher. Die Karriere war kurz, umso tragischer wird sein Schicksal empfunden. Erst Anfang Mai war der dreijährige Hengst einem breiteren Publikum bekannt geworden, als er das Kentucky Derby gewann. Elegant und scheinbar mühelos verwies er die Konkurrenz auf die Plätze. Dem edlen Tier traute die Fachwelt zu, was seit 1978 kein Pferd mehr geschafft hatte: die „Triple Crown“ zu gewinnen, die drei prestigeträchtigsten Rennen. Beim „Preakness Stakes“ vor einer Woche war Barbaro Favorit. Doch nun zeigen die Sender immer wieder in Zeitlupe zwei Szenen, wobei sie den rechten hinteren Huf hell hervorheben: erst ein Fehlstart, bei dem der Hengst das Startgatter aufdrückt und danach unruhig tänzelt. Dann eine Episode nach dem geglückten Start, vor 118 402 entsetzten Zuschauern fällt Barbaro auf der Pimlico- Rennbahn plötzlich zurück. Der Jockey bringt das Tier zum Halt, springt ab, der Hengst versucht das offenbar verletzte Hinterbein nicht zu belasten.

Seither rätselt Amerika: Ging Barbaro verletzt ins Rennen, verletzte er sich beim Fehlstart? Hat er sich den dreifachen Splitterbruch im Gelenkbereich mit 20 Knochentrümmern auf der Bahn zugezogen? Die Experten können sich an kein Beispiel für so einen Fehltritt erinnern. Die Rennkarriere ist vorbei, ehe sie zum Höhepunkt gelangte. Aber dafür folgt eine Heldengeschichte. Für jeden anderen Hengst wäre es das Todesurteil gewesen, raunen die Pferdeexperten des Fernsehens. Er wäre noch auf der Rennbahn eingeschläfert worden. Aber dieses Tier ging nicht einmal zu Boden. Wie geschickt der Jockey das Tier abgefangen habe! Und ist es nicht ein Wunder? Kaum hatte man Barbaro nach Ende der Betäubung in einen Spezialstall gebracht, konnte er auf eigenen Beinen stehen.

Als rührender Liebesbeweis der Eigentümer wurde die komplizierte und teure Operation durch acht Spezialisten im New-Bolten-Center der Universität von Pennsylvania zunächst interpretiert. Es hieß, Roy und Gretchen Jackson scheuen keine Kosten, obwohl das Experiment tödlich enden kann und sie doch ohnehin die 30 Millionen Dollar abschreiben müssen, die Barbaro als Favorit für die nächsten Rennen wert gewesen wäre.

Nach ein, zwei Tagen wendete sich die Kalkulation. Als Zuchthengst könne Barbaro seinen verlorenen Wert als Rennpferd wettmachen. Die Zeitungen streiten, ob die Eigentümer 40 000 bis 50 000 oder gar 100 000 Dollar pro geborenes Fohlen verlangen dürfen. 60 Fohlen pro Jahr und das gewiss über 15 Jahre veranschlagt, zum Beispiel, die „Washington Post“. „Er hat die ganze magische Aura: Rasse und Stammbaum, er ist ein schönes Tier und er ist ein Derbysieger“, sagt Michael Pons, der Marylands ältesten Zuchtbetrieb managt.

Die Zeitungen titeln erleichtert „Er kann wieder stehen“ und zeigen in aufwändigen Grafiken, welche Kräfte beim Besteigen einer Stute auf den Hinterbeinen eines über 500 Kilogramm schweren Hengstes lasten. Und wo die Ärzte die Metallplatte und die 23 Schrauben eingesetzt haben. „Wir lieben dich, Barbaro!“ und „Viel Glück“ steht auf den Transparenten der Fans vor dem Pferdehospital. „Er wird nie mehr ein Rennen laufen“, sagt Züchter Pons, „aber er hat ein glückliches Leben vor sich.“

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