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Panorama: Tollwut – die erste Tote

Eine Transplantationsempfängerin in Hannover starb trotz einer neuen Therapie aus den USA

Die junge Frau, die die Lunge einer mit Tollwut infizierten Spenderin bekommen hatte, ist am Samstagabend, kurz vor 18 Uhr, gestorben. Das teilte ein Sprecher der Medizinischen Hochschule Hannover MHH am Sonntag mit. Damit ist in Deutschland erstmals ein Mensch durch ein mit Tollwut infiziertes Transplantationsorgan ums Leben gekommen. Zwei weitere Patienten ringen mit dem Tod. Die Hoffnung, sie noch retten zu können, ist äußerst gering.

Allen drei Patienten wurden Organe einer mit Tollwut infizierten Frau transplantiert. Die 26-jährige Organspenderin hatte sich in Indien aufgehalten und war dort wohl von einem tollwütigen Hund gebissen worden. „Zumindest haben wir feststellen können, dass es sich um einen Hundevirus handelt“, sagte der Chefvirologe Herbert Schmitz vom Tropeninstitut in Hamburg dem Tagesspiegel. Als die Frau im Dezember starb, entnahm man ihr insgesamt sechs Organe, nicht wissend, dass sie mit Tollwut infiziert war.

Die junge Frau, die nun in Hannover gestorben ist, hatte die Lunge der Spenderin bekommen – und das Krankenhaus seitdem nicht mehr verlassen. Der Eingriff hatte einen „extrem schwierigen“ Verlauf, es kam sogar zu Wesensveränderungen der Frau, wie der Chirurg Axel Haverich von der MHH sagte. Prompt tippte einer der Neurologen auf Tollwut. Da aber die Tollwut mit etwa ein bis zwei Fällen pro Jahr extrem selten ist in Deutschland, hielt man die Diagnose für ausgeschlossen. Bis plötzlich weitere Fälle auftauchten und sich der grausame Verdacht bestätigte.

In den vergangenen drei Wochen lag die Frau im künstlichen Koma, als sich ihr Zustand am Sonnabend dramatisch verschlechterte. Sie starb an Herzversagen.

Auch eine neuartige Therapie aus den USA hatte die Frau nicht mehr retten können. Die Ärzte hatten am Donnerstag damit begonnen, „nachdem wir in direktem telefonischen Kontakt mit den CDC, der amerikanischen Behörde für Gesundheitskontrolle, gestanden haben“, sagte Chefarzt Haverich.

In den USA war es Ärzten erst letztes Jahr gelungen, ein 15-jähriges Mädchen namens Jeanna Giese, die von einer tollwütigen Fledermaus gebissen worden war, mit Hilfe von Medikamenten, welche die Virusvermehrung („Virostatika“) hemmen, zu retten – ein historisch bislang einmaliger Glücksfall.

Denn bei der Tollwut handelt es sich um eine der gefährlichsten Infektionskrankheiten, die es überhaupt gibt. Ohne Impfung verläuft sie in fast 100 Prozent der Fälle tödlich. Eines der entscheidenden Probleme: Das Virus wandert in das Gehirn, wo es vom Immunsystem nicht erkannt wird. Nun kann es sich in den Nervenzellen ungestört vermehren und diese nach und nach zerstören. Besonders fatal: Die Zerstörungen im Hirn führen zu Wesensveränderungen, die die Vermehrung des Virus fördern. So verwandelt der Erreger einen Hund oder Fuchs kurzerhand in eine unberechenbare, bissige „Virusschleuder“.

Dabei gibt es gegen Viren keine medizinische Allzweckwaffe. Während uns bei Bakterien Antibiotika zur Verfügung stehen, hilft gegen Viren nur ein Impfstoff. Dieser existiert zwar für Tollwut, doch muss er rasch nach der Infektion gegeben werden, damit er wirkt. Sind die Symptome einmal da, kommt jede Impfung zu spät. Die einzige Medizin gegen Tollwut liegt somit in der Prävention. Deshalb stehen die Chancen von drei Patienten, die zwar ein Organ der infizierten Spenderin bekommen hatten, bislang aber symptomfrei sind und geimpft wurden, auch sehr gut.

Lässt sich ein tragischer Fall wie dieser in Zukunft verhindern? Anfang der Woche hatte es von Seiten der Deutschen Stiftung für Organtransplantation DSO noch geheißen, wir müssten mit diesem „Restrisiko“ leben, da sich die Tollwut nicht so leicht testen lässt wie beispielsweise HIV oder Hepatitis. Doch der Druck wächst. Die Staatsanwaltschaft Mainz verkündete, sie werde „mit hoher Wahrscheinlichkeit“ Ermittlungen aufnehmen, um zu prüfen, ob es zu eventuellen ärztlichen Versäumnissen gekommen ist. Hätte man beispielsweise im Vorfeld erkennen können, dass die Spenderin an Tollwut erkrankt war?

Als Reaktion kündigte auch der DSO- Vorstand Günter Kirste Konsequenzen aus dem Vorfall an. „Die DSO wird jetzt mit Virusexperten eine Initiative starten. Wir wollen einen schnell machbaren Tollwut-Test entwickeln, um auch dieses minimale Restrisiko auszuschließen.“ Dem konnte der Chirurg Haverich gestern nur zustimmen: „Nach diesem tragischen Fall ist klar, das darf sich nicht wiederholen.“

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