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Panorama: Tragik bis zum Ende

Der junge Star Heath Ledger wurde tot in seiner Wohnung gefunden – die Umstände sind mysteriös

Ein Motorrad rast vorbei. Dann hört man einen Crash. Der Fahrer überlebt den Unfall, aber er zieht sich aus der Öffentlichkeit zurück. Sitzt deprimiert zu Hause, hat Probleme mit seiner Familie: In Todd Haynes’ Film „I’m not there“, der im Februar in die Kinos kommt, spielt Heath Ledger Bob Dylan in einer kritischen Phase. Ende der sechziger Jahre verschwindet der berühmte Sänger und Songwriter von der Bildfläche. Er privatisiert, gibt sich seinen persönlichen Dämonen hin, während draußen in der Welt der Anti-Vietnam-Protest tobt und das Woodstock-Festival glücklich in Regen und Schlamm versinkt. Heath Ledger als Dylan, dem alles entgleitet, der alles fahren lässt. Die Szenen legen sich wie ein Brennglas über die Nachricht, dass der 28-jährige Hollywoodstar am Dienstag überraschend in seinem New Yorker Appartement gestorben ist.

Da fällt es schwer, in Heath Ledger etwas anderes als den labilen Exzentriker zu sehen, der immer am Abgrund stand. Ein Mann, der auf der Leinwand meist gebrochene Figuren darstellte, ist zerbrochen. Ob an sich selbst oder an einer Ungeschicklichkeit, ist zur Stunde nicht geklärt. Zu rätselhaft erscheinen die Umstände des plötzlichen Todes. Nach Angaben der Polizei wurde Ledger nachmittags von seiner Haushälterin und einer Masseurin leblos und nackt neben seinem Bett liegend gefunden. Bis auf verschreibungspflichtige Schlaftabletten, fanden sich keinerlei Hinweise auf Drogen- oder Alkoholkonsum in der Wohnung. Auch Indizien für einen Selbstmord fehlten bislang. Ein Fremdverschulden schließen die Ermittler aus.

In einer ersten Stellungsnahme sprach die Familie des Toten von einem „tragischen Unfall“. Es hätten keine Anzeichen für eine psychische Zerrüttung vorgelegen, weshalb die Ledgers nach Auskunft eines Onkels völlig unvermittelt von der Nachricht getroffen worden seien. Erst wenige Tage vor seinem Ableben war Heath Ledger von einem längeren Aufenthalt in seiner australischen Heimat nach Manhattan zurückgekehrt. „Er war gut drauf“, zitiert die „New York Times“ einen Verwandten.

So hat der Tod von Heath Ledger eine ähnlich tragische Note wie der von River Phoenix: In dem Augenblick, da die Karriere losgeht, ist alles vorbei. Der 1979 im westaustralischen Perth geborene Heath Ledger zählte neben Orlando Bloom und Jake Gyllenhaal zu den hoffnungsvollsten Jungstars in Hollywood. Seine blasse, dünnhäutig-kantige Erscheinung mit dem markanten Kinn prädestinierte ihn als Heldendarsteller – wie gemacht für Hollywood, das Schönlingen mit Vorliebe zermarternde Seelenwandlungen auferlegt. Seinen Durchbruch erlebte der Mann von Down Under 2005 an der Seite Gyllenhaals in dem Liebesdrama „Brokeback Mountain“ als schwuler Cowboy.

Viele Kritiker hielten Ledgers Leistung für besonders bemerkenswert, weil seine Figur des verheirateten Mannes erst allmählich zu begreifen schien, dass die Liebe zu dem anderen ihn in eine fürchterliche Einsamkeit zwingen würde. Ennis ist ein Mann voller Komplexe, ein nervöser Bursche in ständiger Angst, etwas falsch zu machen. Dass Ledger ihm eine fiebrige Überspanntheit verlieh, habe vor allem an seiner eigenen Nervosität gelegen, bekannte der Schauspieler später. Für die Rolle wurde er für einen Oscar nominiert.

Da hatte Ledger bereits demonstriert, dass er sowohl differenzierte Psychogramme von Verlierertypen zu zeichnen, als auch opulent kostümierte Breitwandepen mit seiner Person auszufüllen vermochte. So betrat er die Hollywoodmanege an der Seite Mel Gibsons in „Der Patriot“, einem pathetischen Kriegsdrama. Er hätte auch in einer Teenagerkomödie mitwirken können, aber das schlug er aus, wie er überhaupt seinem komödiantischen Talent, sofern er eins hat, nie erlaubte, sich zu zeigen. Es folgten das Ritter-ohne-Herkunft-Spektakel „A Knight’s Tale“ sowie „Monster’s Ball“, wo er in der Rolle eines überforderten, vom Vater verstoßenen Gefängniswärters brillierte. Danach spielte er Hauptrollen in „Sin Eater – Die Seele des Bösen“ sowie „The Four Feathers“ und wäre eigentlich zu Höherem berufen gewesen. Doch die Karriere stockte. Für einen blendend aussehenden Nachwuchsstar, der in die Topriege Hollywoods vorstoßen wollte, schien er zu wenig zu wissen, was er wollte. Leidenschaftlich wehrte er sich dagegen, als neuer „Mister Perfect“ die Budgetrisiken der Filmindustrie aufzufangen – und war nach seinem Erfolgsjahr 2005 immer weniger präsent. Zwar wandte er sich verstärkt irrlichternden Charakteren zu wie einem heroinabhängigen Dichter („Candy“), gründete eine Plattenfirma und begann, Musikvideos zu drehen, aber ohne durchschlagenden Erfolg. Wenn Ledger demnächst als Joker in Christopher Nolans düsterer Batman-Fortsetzung „The Dark Knight“ in die Kinos kommt, wird man ihn mit Jack Nicholson vergleichen – und erkennen, dass seine Abgründigkeit etwas Verlorenes hat. Hier tritt einem das Scheusal mit säurezerfressener Visage nicht als Maske gegenüber, sondern als Fiesling von trauriger Gestalt.

Trotz seines anfänglich rasanten Aufstiegs hatte der früherer Hockeyspieler privat nicht sonderlich viel Glück. Seine Beziehung zu der Schauspielerin Naomi Watts zerbrach zweimal. Seine Ehe mit Michelle Williams hielt ebenfalls nicht lange. Aus der Verbindung ging eine Tochter hervor. Immer wieder geriet er mit Fotografen aneinander, die ihn auf seinen Streifzügen an der Seite verschiedener Schauspielerinnen und Models ablichten wollten. Zuletzt drehte Ledger mit Regisseur Terry Gilliam den Film „The Imaginarium of Doctor Parnassus“. Während das Team für ein paar Tage nach Vancouver flog, zog er sich in sein Domizil nach Soho zurück. Was immer dort passiert ist, es beendet einen Lebensweg, der noch nicht zu sich selbst gefunden hatte.

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