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Panorama: Trinken gegen die Mafia

Italien gibt beschlagnahmtes Land an Kooperativen weiter, die darauf Wein und Bioprodukte anbauen

Auf Italiens großer Weinmesse, der „Vinitaly“ in Verona, wird Ende März ein ganz besonderer Tropfen ausgeschenkt. „Centopassi“ heißt er. Es ist der erste italienische Prädikatswein, der komplett auf früheren Grundstücken der Mafia angebaut wird. Viele hundert Hektar Land, um Palermo und Corleone in diesem Falle, hat der Staat den verhafteten sizilianischen Bossen entzogen; nun bewirtschaften Kooperativen aus durchweg jungen Leuten die Areale. Hartweizen produzieren sie schon, Linsen, Kichererbsen, Olivenöl, Honig, Tomaten, Marmelade, Nudeln – alles bio und mit einer Geschmacksnote extra: der Legalität.

„Libera Terra“, befreites Land nennt sich die Antimafiamarke, die von der Slow-Food-Bewegung unterstützt und in Italien bereits in Supermärkten vertrieben wird. Der große nationale Auftritt des neuen Prestigeweins, so freut sich der Chef der Kooperative von San Giuseppe Jato, Gianluca Faraone, „ist ein Symbol für die Wiedergeburt dieses Landstrichs“.

Was der Staat den Bossen wegnimmt, darf nicht verkauft oder gewinnbringend genutzt werden; die Gefahr, dass die Mafiafamilien zurückkehren, wäre allzu groß. Die Kooperativen gehören der Antimafiabewegung „Libera“ des Priesters Luigi Ciotti an und arbeiten gemeinnützig. Gemeinden, die Häuser übertragen bekommen, müssen diese für soziale Zwecke nutzen, für Familienwohnungen, Schulen, Bibliotheken; da und dort wandelt sich eine Mafiavilla sogar zur Polizeistation.

Dabei liegt weit mehr als die Hälfte der eingezogenen Güter brach: Allzu viele Jahre dauert die Prozedur von der Beschlagnahmung, der Übereignung an den Staat bis zur Zuteilung an neue Projekte. Experten sagen, der größte Feind im Kampf des Staates gegen die Mafia sei die eigene Bürokratie. Ein paar enteignete Gehöfte in den sizilianischen Hügeln werden heute für den „Agriturismo“ genutzt, den Urlaub auf dem Bauernhof. Zur Frühjahrssaison öffnet bei Corleone das nächste: ein Landgut, das früher ebenso als Versteck wie Treffpunkt für hochrangige Bosse diente und das dem besonders blutrünstigen Totò Riina gehörte.

Widerstandslos nimmt die Mafia das nicht hin. Immer wieder werden Anschläge auf Kooperativen verübt, Oliven- und Orangenhaine angezündet, Maschinen in Brand gesteckt. In der Nachbarkooperative des Centopassi-Gutes gingen voriges Jahr 700 der 1000 Weinstöcke in Flammen auf.

Solche Angriffe indes stärken den Trotz und Selbstbehauptungswillen der Antimafiabewegung. Nach den ersten Hundertschaften aus der Toskana kamen im Sommer vorigen Jahres bereits mehr als tausend Jugendliche aus mehreren Ländern Europas in die Kooperativen, um beim Ernten zu helfen.

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