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Tübingen: Rekordverdächtige Dauerdebatte

In Tübingen haben Studenten 40 Stunden lang über Gerechtigkeit diskutiert. Am späten Abend stand fest, dass die Mitglieder des Tübinger Vereins "Streitkultur" das selbstgesteckte Ziel einer 40-Stunden-Debatte erreicht haben.

Tübingen - Ob die ermüdende Diskussion nun auch mit einem Eintrag ins Guinness Buch der Rekorde belohnt wird, war zunächst unklar. Einer der sechs Dauerredner musste nach 30 Stunden ausgewechselt werden.

Nach mehr als einem Tag Diskussion wurde das Schlafbedürfnis bei Rechtsreferendar Daniel Hund (29) übermächtig. Er nahm sich am Montagmorgen eine Auszeit, um ein paar Minuten auf der nächstgelegenen Bank zu schlafen. "Ich kämpfe schon seit acht Stunden mit der Müdigkeit." Wenig später gab Hund ganz auf.

Eintrag ins Guiness Buch wird beantragt

Hund war für den Debatierclub "Heidelberg Debating" ins Rennen gegangen. Als er ausschied, setzte das Tübinger Team den Rekordversuch davon unberührt fort. Der Eintrag ins Guiness Buch soll nun nur noch für die Tübinger Studenten beantragt werden.

Die Debatte - die von Sonntag 6 Uhr bis Montag 22 auf Video aufgezeichnet wurde - verlief nach festen Regeln. Drei Tübinger Studenten vom Verein "Streitkultur" stellten die "Regierung" und stritten sich mit der "Opposition", die drei Vertreter von "Heidelberg Debating" stellten.

Während der Debatte hatten die Dauerredner kaum Pausen. "Sie können immer mal wieder aufstehen, kurz auf den Balkon gehen oder zur Toilette", erläuterte Gregor Landwehr. Er ist Sprecher des Vereins "Streitkultur", der den Rekordversuch initiiert hat.

Partyverzicht als Vorbereitung

"Das ist doch eine vollkommen andere Baustelle, sie bieten herzlich wenig Differenzierung", warf der Heidelberger Student Daniel Soudry (26) seinem Vorredner vor. Er habe in den Tagen vor dem Rekordversuch auf "üble Partys" verzichtet, um sich vorzubereiten, sagte Soudry. Ansonsten helfe nur leichtes Essen und Motivation: "Wenn Du im Kopf abstellst, dann geht es nicht."

Zusätzlich zu den Daurrednern konnten sich "freie Redner" zu Wort melden. Auf Grundlage dieses Regelwerks gibt es auch deutschlandweite Wettbewerbe. Der Tübinger Verein besteht seit 15 Jahren und bezeichnet sich daher als ältester Debatierclub in Deutschland. Vor einigen Jahren sei Deutschland in Sachen Debattierfähigkeit noch "Entwicklungsland" gewesen, sagte "Streitkultur"-Sprecher Landwehr. "Inzwischen können sich unsere Leistungen auch bei internationalen Vergleichen sehen lassen."

In Tübingen wurde über Fragen diskutiert, die sich mit im weitesten Sinne mit Gerechtigkeit in Verbindung bringen lassen: die Abschaffung von Frauenparkplätzen, die Aufstellung eines stehenden Heers für die Vereinten Nationen und Kopftuchverbote.

Themen? - Vergessen

Muntermacher wie Obst, Kaffee und Energydrinks sollten den Rednern helfen, wach zu bleiben. Doch mit zunehmender Dauer der Debatte schwinde die Konzentration der Dauerredner merklich, sagte Christoph Krakowiak (21). Er mischte sich zeitweise als "freier Redner" in die Diskussion ein. Zu welchen Themen er gesprochen habe? "Wenn ich das noch wüsste, das waren so viele."

Krakowiak studiert Politikwissenschaften und sieht seine Mitgliedschaft im Tübinger Debatierclub auch als Pluspunkt im Studium: "Man verbessert seine rhetorischen Fähigkeiten, das bringt einen schon weiter." Bei den Trainingsabenden des Vereins würden Redebeiträge auch bewertet und Verbesserungsvorschläge gemacht. "Streitkultur" bemüht sich derzeit darum, dass sich die Diskussionen im Verein auch direkt auszahlen - zum Beispiel dadurch, dass sie für das Studium angerechnet werden können. (tso/dpa)

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