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Türkei: Fasten bei über 40 Grad

Schwitzen im Ramadan: Der islamische Fastenmonat beginnt für die Türken mitten in einer Hitzewelle. Wie die Menschen damit umgehen.

Ayhan hat ein Problem, aber er hat auch einen Plan. Der 52-jährige Kunstschmied aus Istanbul ist gläubiger Muslim und begeisterter Langläufer, der im Oktober einen Marathon in der türkischen Metropole absolvieren will. Das zwingt ihn dazu, sich etwas einfallen zu lassen. Denn an diesem Mittwoch beginnt der islamische Fastenmonat Ramadan mitten in der schlimmsten Hitzewelle der Türkei seit Jahrzehnten. Um das tägliche Fasten und das Training unter einen Hut zu bringen, will Ayhan seine Läufe in den kommenden Wochen gegen Mitternacht absolvieren. „Es wird schwer“, räumt er ein. Religion oder Sport zu vernachlässigen, kommt für ihn aber nicht in Frage.

Der Ramadan, der „Sultan aller Monate“, ist für Millionen von Türken eine Zeit der Besinnung und der Einkehr. Obwohl die Zahl der Fastenden laut Umfragen seit Jahren sinkt, hält sich immer noch jeder Zweite im Land an das Gebot, im Ramadan tagsüber weder feste noch flüssige Nahrung zu sich zu nehmen. In diesem Jahr stellt das eine ganz besondere Herausforderung dar. Da sich die islamischen Monate nach dem Mondkalender richten, beginnen sie jedes Jahr zehn Tage früher als im Vorjahr. Der Ramadan wandert derzeit also mitten in den Sommer hinein.

Für die Gläubigen bedeutet das nicht nur höhere Temperaturen ohne Durstlöscher, sondern auch eine Verlängerung der täglichen Fastenzeit. In der türkischen Hauptstadt Ankara, wo am Wochenende mit 40,4 Grad ein mehrere Jahrzehnte alter Hitzerekord gebrochen wurde, liegen zu Beginn des Fastenmonats fast 16 Stunden zwischen Sonnenaufgang und Sonnenuntergang. In einigen südlichen Landesteilen erreichen die Temperaturen in diesen Tagen fast 50 Grad.

Das macht eine halbwegs gesunde Ernährung schwierig. Tagsüber einfach zu ruhen, wie es viele Menschen in den noch heißeren arabischen Ländern tun, ist für gläubige Türken kein gangbarer Weg: Die Arbeitszeiten in der säkularen Republik bleiben im Ramadan unverändert.

Viel Trinken und mineralreiche Nahrung

Experten raten deshalb, am Abend und am frühen Morgen besonders mineralreiche Nahrung zu sich zu nehmen und viel Wasser zu trinken, um den Flüssigkeitsverlust über Tag so gut wie möglich auszugleichen. Auch sollten die Türken auf keinen Fall auf den Sahur verzichten, das stärkende Frühstück vor Sonnenaufgang, das viele Türken im Ramadan häufig verschlafen.

Nur robuste Naturen sollten sich dem Regime aussetzen, sagen Fachleute. Nicht umsonst nimmt der Islam alle Kinder, Kranken, Schwangeren und Schwerstarbeiter von der Fastenpflicht aus. „Das Fasten ist kein Wettbewerb, wer am besten hungern kann“, mahnte der Internist Mustafa Nafiz Karagözoglu in Interviews mit türkischen Medien. Hunger und Durst am Ende eines langen Fastentages zehren auch am Nervenkostüm, was nicht zuletzt im Straßenverkehr gefährlich werden kann. Im Notfall solle der Gläubige das Fasten vorzeitig brechen und den Fastentag später nachholen, rät Karagözoglu. Auch dies sehen die religiösen Regeln ausdrücklich vor.

Der Sommer bringt noch andere Probleme mit sich. Einige Gläubige befürchten, durch verschlucktes Wasser das Fastengebot zu brechen und halten sich deshalb trotz Hitze vom Schwimmbad fern. Hoteliers berichten von einem starken Buchungsrückgang bei inländischen Urlaubern an den Stränden der Türkei.

Für eine Strandflucht gebe es jedoch keinen Grund, widersprach der Theologe Süleyman Ates, ein früherer Direktor des türkischen Religionsamtes, des staatlichen Islam-Wächters in Ankara. Er selbst gehe auch im Ramadan ins Meer, achte aber darauf, dass er weder durch den Mund noch durch die Nase versehentlich Wasser zu sich nehme.

Da sich das Fastengebot auch auf sexuelle Enthaltsamkeit während des Tages bezieht, wird darüber diskutiert, ob der Anblick knackiger Bikini-Frauen während des Ramadans religiöse Gebote verletzt. Ates sieht zwar einen solchen Regelverstoß: Schließlich sollten sich Frauen dem Koran zufolge schicklich kleiden, was von Bikini-Trägerinnen nun wirklich nicht gesagt werden könne. Männer sollten deshalb den Blick von Bikini-Frauen abwenden. Aber für das Fasten ist der Bikini dem Gelehrten zufolge unbedenklich – so lange es bei Blicken bleibt.

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