zum Hauptinhalt

Türkei: Heute könnte Marco W. freikommen

Ein Gerichtstermin reiht sich an den nächsten. Die Richter sind des Falls bereits überdrüssig. Die Aussage von Charlottes liegt zwar vor, war am Montag aber noch immer nicht übersetzt.

Ein zuversichtlicher Anwalt, ein Richter, der den Fall lieber heute als morgen los wäre, eine Aussage der wichtigsten Belastungszeugin, die auch nach monatelanger Prozessdauer immer noch fehlt: Im Verfahren gegen Marco Weiss im südtürkischen Antalya kann der 17-jährige Angeklagte aus Niedersachsen an diesem Dienstag auf eine vorläufige Freilassung hoffen. Er rechne damit, dass sein Mandant auf freien Fuß gesetzt werde, sagt Marcos türkischer Anwalt Mehmet Iplikcioglu. Allerdings hat das Gericht bisher alle Anträge auf Freilassung von Marco zurückgewiesen – vor dem siebten Verhandlungstag an diesem Dienstag herrscht deshalb eine Spannung wie schon lange nicht mehr in diesem Verfahren.

„Mit dreißig Jahren Erfahrung kann ich sagen: Ich erwarte, dass er freikommt“, sagte Marcos Anwalt Iplikcioglu am Montag. Der Druck auf das Gericht sei inzwischen so groß, dass er diese Hoffnung habe. Richter Abdullah Yildiz würde der Aussage des Anwaltes über den auf dem Gericht lastenden Druck möglicherweise sogar zustimmen. Yildiz und seine beiden Richterkollegen am Schwurgericht von Antalya hatten in den vergangenen Wochen beantragt, von dem Prozess entbunden zu werden. Dies wurde von einer anderen Strafkammer zwar zurückgewiesen. Doch seither ist es amtlich, dass das Gericht den Fall Marco nur noch widerwillig behandelt.

Zudem drohen die Marco-Anwälte mit einem Gang vor den Europäischen Gerichtshof für Menschenrechte, was den Druck zusätzlich erhöht. Die Richter könnten deshalb versucht sein, den Rummel um den Prozess loszuwerden: Sobald Marco auf freiem Fuß wäre, würde die Drohung mit den Straßburger Richtern entfallen, und auch das Medieninteresse an dem Verfahren dürfte schlagartig sinken. Das Argument der Verteidigung, die siebenmonatige Untersuchungshaft sei angesichts der Tatvorwürfe gegen den 17-jährigen Schüler unverhältnismäßig, wird dadurch unterfüttert, dass es inhaltlich in dem Prozess kaum weitergeht. Der Anklage ist es immer noch nicht gelungen, dem Gericht eine ins Türkische übersetzte Aussage des 13-jährigen Mädchens Charlotte M. aus Großbritannien vorzulegen. Bisher ist nur eine inoffizielle Abschrift der per Video in englischer Sprache aufgenommenen Aussagen des Mädchens bekannt. In dieser Aussage berichtet Charlotte, Marco habe sich im April auf sie gelegt, während sie in ihrem Hotelzimmer schlief. Sie habe den Jungen, der bereits ihre Hose heruntergezogen habe, durch einen Schlag und einen Schrei vertrieben.

Seit Prozessbeginn im Juni ist schon häufiger die Erwartung laut geworden, dass Marco auf freien Fuß kommen werde. Bisher hatten sich diese Hoffnungen jedoch jedes Mal zerschlagen. Nach unbestätigten Berichten sollen Charlottes Aussagen am heutigen Dienstag im Gerichtssaal verlesen werden – wenn die Aussagen rechtzeitig übersetzt sind.

Zur Startseite

showPaywall:
false
isSubscriber:
false
isPaid:
showPaywallPiano:
false