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Der Angeklagte Sanel M. wird am 24.04.2015 zu Verhandlungsbeginn in einen Sicherheitssaal des Landgerichts in Darmstadt geführt und nimmt neben seinem Anwalt Stephan Kuhn (r) Platz.

© dpa

Update

Tugce-Prozess: Anklage fordert mehrjährige Jugendstrafe für Sanel M.

Eine Jugendstrafe von mehr als drei Jahren hat die Staatsanwaltschaft für den Angeklagten Sanel M. gefordert. Der 18-Jährige hatte die Studentin Tugce ins Gesicht geschlagen. Sie stürzte und starb wenige Tage später.

Im Prozess um den gewaltsamen Tod der Studentin Tugce Albayrak fordert die Verteidigung, den Angeklagten Sanel M. zu einer Jugendstrafe auf Bewährung zu verurteilen. Die tödlichen Folgen seiner Ohrfeige seien für ihren Mandanten nicht abzusehen gewesen, argumentierten die Anwälte des 18-Jährigen in ihren Plädoyers. „Das ist der schlimmste Fehler meines Lebens“, sagte Sanel M. in seinen letzten Worten vor dem Darmstädter Landgericht. Nie werde er gutmachen können, dass ein Mensch wegen ihm gestorben ist.

Die Anwälte des Angeklagten forderten das Gericht auf, Sanel M. nicht wie von der Anklage vorgesehen wegen Körperverletzung mit Todesfolge zu verurteilen. Sie forderten eine Jugendstrafe von höchstens einem Jahr Haft, die zur Bewährung auszusetzen sei. „Die Ohrfeige ist jahrzehntelang in Deutschland ein sogar rechtlich zulässiges Ehrziehungsmittel gewesen“, erklärte Verteidiger Heinz-Jürgen Borowsky. „Wenn die Bundesrepublik Deutschland nicht bis ins Jahr 2000 rechtsblind gewesen ist, gehört es nicht zum gesicherten Allgemeinwissen, dass eine Ohrfeige zur Ohnmacht und wie in diesem Fall sogar zum Tod führen kann.“

„Der Angeklagte ist nicht der blindwütige Koma-Schläger"

Die Staatsanwaltschaft hatte in ihrem Schlussvortrag zuvor eine Jugendstrafe von drei Jahren und drei Monaten Haft gefordert. Dabei wirkte der Vortrag von Oberstaatsanwalt Alexander Homm in weiten Passagen, als bewege er sich auf die Forderung eines Freispruchs hin. Homm relativierte zahlreiche Vorwürfe, die Zeugen Sanel M. im Verfahren gemacht hatten. „Der Angeklagte ist nicht der blindwütige Koma-Schläger, zu dem er von vielen gemacht wurde“, befand Homm. Sowohl Sanel M. als auch Tugce Albayrak seien von vielen Tatzeugen zu Projektionsflächen gemacht worden. Ihnen seien pauschal Beleidigungen und Aggressivität zugeschrieben worden, die man angesichts des unübersichtlichen Streits in den Morgenstunden des 15. November auf dem menschengefüllten Parkplatz eines Offenbacher McDonald’s so kaum erinnern könne.

Doch Homm ging es in seinen Ausführungen vor allem darum, den Einfluss zu relativieren, den die Vorgeschichte des Streits auf die spätere Eskalation gehabt haben könnte. Welche Beleidigungen im Inneren des Schnellrestaurants gefallen seien, spiele eine untergeordnete Rolle. „Lange Zeit war dies eine ganz banale Nacht, die niemandem in Erinnerung geblieben wäre“, fand Homm. Immerhin sei Sanel M. kurz vor dem fatalen Schlag auf dem Weg zum Auto und im Begriff wegzufahren. Dass der 18-Jährige sich am Ende dennoch zu einer Ohrfeige habe hinreißen lassen, sei zweifellos ein Verbrechen. „Sanel M. hat sich als starker Mann aufgespielt“, sagte Homm. Da er vorbestraft sei und seine Tat keinen Ausnahmecharakter habe, forderte die Staatsanwaltschaft eine Haftstrafe, „um erzieherisch auf die schädlichen Neigungen des Angeklagten einzuwirken.“

Die Anklage sieht die Tatnacht ganz anders

Abschließend sagte der Staatsanwalt noch: „Ich möchte nicht in der Haut des Angeklagten stecken, wenn er aus der JVA entlassen wird.“ Mit Blick auf Drohungen, die Sanel M. in der Untersuchungshaft erhalten habe, gelte es sich Gedanken zu machen, wie der Angeklagte zu schützen sei. Macit Karaahmetoglu, der Nebenklageanwalt der Familie Albayrak, forderte keine konkrete Haftdauer für Sanel M., machte in seinem Schlussvortrag aber deutlich, dass er die Tatnacht ganz anders bewerte als Staatsanwaltschaft und Verteidigung. Er sezierte den unheilvollen Streit noch einmal in allen Einzelheiten und kam zu dem Schluss, dass Sanel M. und einer seiner Freunde sich abgesprochen hätten, Tugce und einer Freundin für diverse Beleidigungen eine Ohrfeige zu verpassen. Der Schlag sei somit nicht spontan, sondern geplant gewesen. Dass Sanel M. seine Tat wirklich bereut und das zu Prozessbeginn mit seinem kurzen Geständnis unter Tränen nachgewiesen hat, bestreitet der Anwalt der Familie Albayrak.

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