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© Concorde Filmverleih

Twilight-Saga: Betörender Vampir

Robert Pattinson lässt alle Mädchen kreischen – ein Besuch des Films "New Moon" in New York zeigt: Vom Film selber bekommt der Zuschauer kaum was mit. Dafür einen Einblick in die Teenie-Hysterie um Pattinson.

Es war nahezu unmöglich, sich am vergangenen Wochenende „New Moon“, die zweite Folge der Teenager-Vampirromanze „Twilight“, in einem New Yorker Kino anzuschauen. Der Dialog war nur fetzenhaft zu verstehen – jedesmal, wenn Hauptdarsteller Robert Pattinson als Edward auf der Leinwand erschien, brach im vollgepackten Saal an der 84. Straße schrilles Gekreische im jungen, überwiegend weiblichen Publikum aus. Wenn Co-Star Taylor Lautner sein Hemd auszog – was er häufig tat –, war das nicht besser. Und wenn Kristen Stewart alias Bella einem von beiden in die Arme sank – was sie auch häufig tat –, wurde es ohrenbetäubend. Für jeden Kuss gab es minutenlang Applaus.

Den Film selber bekam der Zuschauer kaum noch mit. Die Verfilmung des zweiten Buches von Bestseller-Autorin Stephenie Meyer zog am ersten Wochenende in den USA Teenies in Rekordzahlen in die Lichtspielhäuser, um die Fortsetzung der unendlichen Liebesgeschichte zwischen dem sensiblen und umwerfend schönen Vampir Edward und seinem menschlichen Schwarm Bella zu sehen. 140 Millionen Dollar spielte der Film an diesem ersten Wochenende ein. Am Donnerstag startet er in Deutschland.

Die Teenie-Hysterie dreht sich vor allem um den 22 Jahre alten Robert Pattinson. Wann immer er sich in den vergangenen Wochen in einem Laden der US-Jugendkette „Hot Topic“ zeigte, um seinen Film zu bewerben, spielten sich unbeschreibliche Szenen ab. Eine Tatsache, die den eher schüchternen jungen Mann ein wenig verstörte. „Die Verbindung, dass ich ein Schauspieler bin, ist irgendwie verloren gegangen“, sagte er.

Amerika liegt einem Vampir zu Füßen. Das ist allerdings nichts völlig Neues. Schon etwa zehn Jahre hält nun der gegenwärtige Vampir-Trend an, losgetreten von der Kult-TV-Serie „Buffy the Vampire Slayer“. Es folgten die Kinofilme von John Carpenter, der „Van Helsing“-Film von Stephen Sommers, die „Blade“-Trilogie und die Fernsehserie „True Blood“. Und jetzt als vorläufiger Höhepunkt die Geschichten der 34 Jahre alten Mormonin Stephenie Meyer.

Es ist viel darüber spekuliert worden, warum in unserer Zeit Vampire solche Konjunktur haben. Wie damals zur Zeit von Bram Stoker, so eine Theorie, leben wir in einer Phase des rasanten technischen Fortschritts. Die Vampire bringen in unsere iPhone-Welt, in der alles Wissen der Welt in die Jackentasche passt, das Mysteriöse und Unberechenbare zurück. Eine andere, verwandte Hypothese knüpft den Blutsauger-Wahn an die Anschläge des 11. September, die uns gezeigt haben, dass in dieser Welt Kräfte am Werk sind, von denen wir nichts ahnen. Der Vampir ist eine Art „Schläfer“, ein unauffälliger Nachbar, der sich plötzlich in ein Monster verwandeln kann.

Es gibt allerdings auch Stimmen, die im gegenwärtigen Vampir-Trend gar keinen Trend sehen. So hat sich das „Slate“- Magazin gefragt, wann es in den vergangenen 50 Jahren eigentlich keinen Vampir-Hype gegeben habe. Seit den Dracula-Filmen Ende der 50er Jahre mit Christopher Lee sei eine Vampir-Welle nach der anderen über Amerika geschwappt, unterbrochen nur von wenigen „Knoblauchjahren“. Da waren Roman Polanski und Andy Warhol, Stephen King und die Anne-Rice-Verfilmung mit Brad Pitt, die „Lost Boys“ von Joel Schumacher und „Bram Stoker’s Dracula“ von Francis Ford Coppola. Und das ist nur ein Ausschnitt.

Die Figur des Vampirs scheint ein Evergreen zu sein, ein flexibler Mythos, der sich den verschiedensten Themen und den verschiedensten Publikumssegmenten anschmiegen kann. In der derzeitigen Inkarnation, dem Teenie-Schwarm-Vampir, haben wir es eindeutig mit einer Neuauflage des romantischen Vampirs zu tun, jenem Typ von Blutsaugerfigur, den der Arzt John Polidori 1816 in seiner Geschichte „The Vampyre“ entwarf.

Anders als früher haben es sich die neuen Vampire allerdings abgewöhnt, Menschenblut zu trinken. Sie haben sich auf tierisches verlagert und leben weitgehend in die Gesellschaft integriert in einem schicken Designerhaus in einer verregneten Kleinstadt. Wenn Edward Bella küsst, hat er seine animalischen Instinkte völlig unter Kontrolle. Wichtiger als das Beißen ist dem 109 Jahre alten Tennager die tiefe romantische Liebe. So wurde schon in der ersten Folge von „Twilight“, klar, worum es wirklich geht – um Bellas erstes Mal. Als Bella Edward hinterher nach Italien fliegt, wählt sie selbstverständlich die „Virgin“-Airlines. Der Biss, der eine Entscheidung für die Ewigkeit bedeuten würde, wird endlos verschoben, und der wohlerzogene Vampir ist geduldig. Ein wahrer Jungmädchen- und Schwiegermuttertraum. Es ist kein Zufall, dass zu den Fans etliche Frauen im Alter um die 40 gehören – die sogenannten „Twilight“-Moms. Die Monster von Stephenie Meyer sind also unverblümte Metaphern für die ebenso verlockenden wie potenziell gefährlichen Sehnsüchte, mit denen weibliche Teenager leidenschaftlich zu ringen scheinen. Nichts geht über eine Romanze mit einem Vampir.

Sebastian Moll[New York]

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