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Panorama: Über den Reichstag fliegen

Mit dem Web-Suchdienst „Google Earth“ können aus dem All Ziele auf der Erde herangezoomt werden

Berlin - Eigentlich ist das Fliegen über den Reichstag verboten. Wer dennoch über seine Glaskuppel schweben will, kann das im Internet tun. Ein Blick aus der Satellitenperspektive – Google macht das möglich. Seit Jahren ist das amerikanische Unternehmen Weltmarktführer unter den Suchmaschinen im World Wide Web: Texte, Bilder, Videos – nahezu alles, was sich digitalisieren lässt, findet der Internetnutzer unter diesem Anbieter. Doch die Google-Gründer Sergej Brin und Larry Page tüfteln fleißig an neuen Ideen fürs Internet. Ihr neuester Coup: „Google Earth“ – eine digitale Weltkugel aus zahlreichen Satellitenbildern. Internetnutzer können damit jetzt die Welt auf ihrem heimischen Computer erkunden. Nur mit wenigen Mausklicks. Vom Weltraum starten sie in fast alle erdenklichen Orte der Welt und können selbst in die verwinkeltesten Gassen von New York oder St. Petersburg blicken. Die Erde aus der Allperspektive heranzoomen – das ist modernes Reisen, ohne die Gefahr von Terroranschlägen und Flutkatastrophen.

Einsteiger können das Programm bei earth.google.com auf ihren PC herunterladen. Öffnet sich das Programm „Google Earth“, so erscheint auf der rechten Bildschirmseite unsere Erdkugel mit Blick auf die USA – denn auch in diesem Programm sind die USA Ausgangspunkt der Welt. Auf der linken Seite können die Internetnutzer nach spezifischen Orten und Sehenswürdigkeiten suchen.

Damit ist der Luftraum über dem Reichstag inoffiziell wieder eröffnet. Tippt der Internetnutzer nämlich im Suchfeld „Berlin“ ein, so befindet er sich gleich im freien Fall vom Weltraum auf den Reichstag mit Blick auf das Reichstagsufer und benachbarte Straßen wie die Dorotheenstraße. Tippt er im nächsten Moment „New York“ ein, so fliegt er in Windeseile über den großen Teich und kann die Bauarbeiten beim Ground Zero beobachten oder dem Empire State Building aus der Vogelperspektive einen Besuch abstatten. Wahlweise können auch ein kurzer Abstecher zum Matterhorn oder nach Kairo zu den Pyramiden von Giseh unternommen werden. Sightseeing zum Nulltarif, gesteuert mit der Maus .

„Google Earth“ wurde bereits millionenfach heruntergeladen. Länder wie die USA sind in dem Programm schon so gut erschlossen, dass Adresse und Hausnummer exakt zum eigenen Haus führen. Restaurants, Tankstellen und prominente Gebäude wie der Fernsehturm am Alexanderplatz oder Natur-Highlights wie der Grand Canyon kann sich der Internet-Reisende, der Alexander von Humboldt des 21. Jahrhunderts, bequem einblenden lassen. Eines Tages sollen selbst Informationen zum Ground Zero, Speisekarten oder Benzinpreise im Programm abrufbar sein. Die Welt – ein globales Dorf? Nicht ganz. Denn etliche Orte sind in Google Earth noch nicht erschlossen. Die Suche nach Satellitenaufnahmen von deutschen Städten wie Essen, Jena oder Passau bleibt vergeblich. Auch El Arenal und Ballermann 6 bleiben der googelnden Weltbevölkerung noch vorenthalten.

Ein weiteres Problem: Wer keinen schnellen Internet-Zugang hat, kann mit Google Earth nicht viel anfangen. Die immensen Bildermassen werden von den Netzrechnern des Unternehmens zugespielt, dafür braucht der Nutzer nicht nur den schnellen Zugang, sondern auch eine schnelle Verarbeitung und eine anspruchsvolle Grafikkarte. Google Earth gilt in dieser Form als ein Novum. Zwar gab es vorher schon Satellitenfotos im Internet, in denen man nach Einzelbildern blättern konnte. Doch das ungehinderte Zoomen, „Helikopter“-Flüge über Weltstädte wie Madrid oder Los Angeles mit befriedigender Bildqualität – das gab es vorher nicht. Der „Spiegel“ schreibt: „Noch nie war die Erde einem Menschen so untertan.“ Und tatsächlich bedient das Programm übermächtige Phantasien : Alles sehen, überall dabei sein, über allem stehen, Gott gleich. Dabei steht das Programm noch am Anfang. Die Erfinder bei Google lassen Ängste von einem Erdball entstehen, der vom Weltraum aus überwacht wird.

Der Reisende vermisst freilich die direkte Erfahrung: die Korallen-Riffe auf den Malediven, der Duft der Olivenhaine in Italien oder der Geschmack der Currywurst von Berlins bester Pommesbude – all das liefert das Programm nicht.

Noch nicht.

Ramon Mirfendereski

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