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Panorama: Umleitung für Tiere

In Afrika wächst der Fünf-Länder-„KaZa“-Park, künftig wandern Elefanten und Giraffen jenseits der Felder

Beawan Mynali drückt kräftig Luft in seine Backen, dann bläst er los. Aus der knallroten Vuvuzela dringt ein blecherner, durchdringender Ton. Der junge Namibier steht freilich nicht auf der Tribüne eines Fußballstadions, um seinen Klub anzufeuern. Mynali hat die durch die Fußball-WM in Südafrika zu zweifelhafter Berühmtheit gelangte Tröte am Rande eines Maisfeldes angesetzt. Im Hintergrund stehen die Hütten von Makusi, einem Dorf im Caprivi-Streifen im äußersten Osten Namibias. So wie jetzt hat Mynali ein paar Nächte zuvor die Vuvuzela auch angesetzt – weil wieder einmal eine Horde Elefanten auf das Maisfeld des Dorfes zutrabte. „In zehn Minuten können zehn Elefanten ein Feld von der Größe eines Fußballplatzes niedermachen“, sagt der groß gewachsene junge Mann. In jener Nacht hat die Vuvuzela geholfen. Die Tiere sind abgezogen.

Mynali arbeitet als Wächter für die Conservancy der Region Mashi, zu der vier Dörfer gehören. Conservancies sind in Namibia weit verbreitete Gemeinschaften, in denen die landwirtschaftliche Nutzung und der Naturschutz von den Bewohnern selbst geregelt werden. „Seit es hier die Conservancy gibt, ist das Leben besser geworden“, sagt Mynali. Das hat auch damit zu tun, dass es besondere Bereiche gibt, in denen sich Elefanten und andere Tiere bewegen können. Zugleich bilden sie Korridore, über die die Dickhäuter in andere Nationalparks gelangen können.

Einige hundert Meter südlich von Makusi zieht sich ein solcher knapp eineinhalb Kilometer breiter Streifen durch die Region. „Ngonga Nzila Ya Lifolofolo“ – Ngonga Wildtier Korridor steht auf den großen braunen Schildern an der Schotterstraße. Rechts und links bedeckt dichtes, zwei bis drei Meter hohes Gestrüpp den Boden, Trampelpfade sind erkennbar. Der Korridor eröffnet eine Verbindung zwischen den angrenzenden Bwabwata und Mudumu Nationalpark, weist Wege Richtung Norden nach Angola und Sambia, gen Süden nach Botswana, weit nach Westen ins Okavango Delta und nach Osten bis nach Zimbabwe. Conservancies sind die Herzstücke für den Aufbau des weltweit größten Naturraums mit derzeit 36 Schutzgebieten: der geplante Kavango-Zambezi-Naturpark, kurz Kaza. Er erstreckt sich mit Angola, Botswana, Namibia, Sambia und Zimbabwe über fünf Länder und eine Fläche von der Größe Italiens. Am Mittwoch soll der Staatsvertrag unterzeichnet werden. Vor 20 Jahren gab es die ersten Ideen.

Deutschland spielt bei Kaza eine wichtige Rolle – über das Know-how des World Wide Fund for Nature (WWF) und über die bundeseigene Bankengruppe KfW, die im Auftrag des Entwicklungsministeriums (BMZ) bislang 20 Millionen Euro bereitgestellt hat. Dabei geht es nicht nur um Naturschutz und Biodiversität, wie KfW-Vorstand Norbert Kloppenburg betont. „Wir wollen Wege zur Überwindung der Armut eröffnen. Und die Stabilität in der Region fördern.“ Das heißt in Kaza: Entwicklung des Tourismus über neue Lodges und mehr Tiersafaris. Für etwa sieben Touristen, so die Erfahrung, entsteht ein Arbeitsplatz.

Das auf viele Jahre angelegte Projekt soll auch Landwirtschaft und Viehzucht stärken und damit den Menschen ein sicheres Einkommen verschaffen. Die noch aus der Kolonialzeit stammenden Grenzen und die danach ausgerichteten Siedlungsstrukturen versperren die natürlichen Pfade der Tiere. „Die größte Herausforderung für Kaza ist der Mensch- Tier-Konflikt“, betont Russell Taylor vom WWF. 300 000 Dickhäuter leben in der Region. 135 000 sind es allein in Botswana, nur 12 000 in Namibia und etwa 800 in Angola. Die Folge: In Botswana ist die Biodiversität bedroht, die Vegetation wird übernutzt, Äcker werden zerstört. Die mit Kaza geplanten Korridore sollen für eine gleichmäßigere Verteilung der Elefanten sorgen, den Druck auf Mensch und Natur abfedern.

Nicht nur die Dickhäuter, auch Löwen, Leoparden, Impalas, Gnus, Hippos, Kudus, Wildhunde, Hyänen, Krokodile und eine einmalige Vogelwelt locken Touristen, etwa im Chobe Nationalpark bei Kasane in Botswana. Bis auf wenige Meter lotsen Führer die Besucher an die Tiere heran, per Boot oder per Jeep. Die zusätzlichen Einnahmen für die Menschen vor Ort durch Parks und Conservancies zumindest in Namibia können sich sehen lassen. Von umgerechnet etwa 54 000 Euro 1998 sind sie auf mehr als 2,9 Millionen Euro zehn Jahre später gestiegen.

Die 36-jährige Josephine Matibe weiß das zu schätzen. „Heute geht es uns besser“, erzählt sie vor ihrer Hütte. In ihrer Jacke steckt ein Handy, ihr kleiner Sohn greift in eine Tüte Süßigkeiten. Sie hätten jetzt mehr Geld für Kleidung und Seife. Und für besseres Essen. Der Schulweg für die Kinder sei sicherer geworden, seit es den Korridor für die Elefanten gibt. Auch dank der Vuvuzela von Beawan Mynali. Touristen erzählt er gerne, wo er die Tröte her hat. Während der Fußball-WM haben auch die WWFler in Botswana die Spiele verfolgt. Hier waren sie dabei von der Dauerbeschallung genervt. Da kam ihnen die Idee, dass man mit den Vuvuzelas auch die Elefanten nerven und vertreiben könnte.

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