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Ein Taucher befreit einen Seeskorpion (Myoxocephalus scorpius) aus einem Geisternetz am Wrack der "Friedrich Engels" in der Ostsee östlich von Rügen (Mecklenburg-Vorpommern).

© Wolf Wichmann/archaeomare/dpa

Umweltverschmutzung: Mit der Harke auf der Jagd nach Geisternetzen

Fischernetze sind eine tödliche Gefahr für die Fauna der Meere. Bisher werden Taucher eingesetzt, sie zu bergen. Vor Usedom startet nun ein neues Projekt.

In der Ostsee gehen jährlich rund 10.000 Fischernetze und Netzteile verloren. In Europa sind es etwa 25.000 Netze mit einer Länge von 1250 Kilometern. Nach Schätzung der Welternährungsorganisation befinden sich 640.000 Tonnen Geisternetze in den Weltmeeren – das sind beinahe zehn Prozent des globalen Meeresmülls. Sie treiben als Plastikmüll umher, landen auf dem Meeresboden und werden zur tödlichen Falle für Fische und andere Meeresbewohner.

Bisher haben Taucher die Netze aus den Meeren gesammelt. Nun wird eine neue Bergungsmethode erprobt: Ab dem 1. Juli soll ein Gerät mit mehreren Reihen von Haken über den Meeresboden vor Rügen und Usedom gezogen werden. Umweltverbände aus Deutschland, Schweden, Estland, Finnland und Polen haben das Projekt gestartet. Ein Fischerboot wird mit dem etwa 200 Kilogramm schweren und einen Meter breiten Rechen nach herrenlosen Netzen suchen.

Mithilfe des Projekts „MareLitt Baltic“ soll auch untersucht werden, wie umweltverträglich die Verwendung des Gerätes ist und ob Lebensräume geschädigt werden. Ergebnisse könnten Anfang 2017 vorliegen. Der Einsatz von Tauchern sei zwar sehr gezielt möglich, aber teuer und langwierig, sagt Projektleiterin Gabriele Dederer von der Umweltorganisation WWF.

Das Gerät zum Einfang von Geisternetzen, wie es in Polen eingesetzt wird. Die Kugeln sind Gewichte, um das Gerät auf dem Meeresboden zu halten. Am hinteren Ende folgen die Haken.
Das Gerät zum Einfang von Geisternetzen, wie es in Polen eingesetzt wird. Die Kugeln sind Gewichte, um das Gerät auf dem Meeresboden zu halten. Am hinteren Ende folgen die Haken.

© WWF

In Polen hat man mit der Methode bereits gute Erfahrungen gemacht und so 2015 rund 270 Tonnen Netz geborgen. Das Gerät sei in der Lage, größere Areale abzusuchen, so Dederer. Es sei so konstruiert, dass der Meeresboden nicht geschädigt werde und kann allerdings nur bei freiliegende Netze angewendet werden. Bei Netzen von Wracks müssen weiterhin Taucher ran, da die gesunkenen Schiffe teilweise unter Denkmalschutz stehen. Zusätzlich soll bei dem Projekt eine Hotspot-Karte der Geisternetze erstellt werden. Projektpartner aus Schweden untersuchen, wie Netze durch Signalgeber markiert werden könnten, um sie bei Verlust besser zu finden.

Außerdem soll am Material der Netze geforscht werden. Bisher wird hauptsächlich Nylon oder PET verwendet. Die Grünen-Politikerin Steffi Lemke begrüßt das Projekt: Umweltverbände würden sich eines Problems annehmen, „dessen zukünftige Vermeidung durch verstärken Kontrollen, konsequente Kennzeichnung von Netzen und einem Meldesystem in der Verantwortung der Bundesregierung liegt“. Diese setze weder das von der EU vorgesehene Verursacherprinzip um noch plane sie Maßnahmen zum Schutz gefährdeter Arten, sagt Lemke.

Ein Taucher bei der Bergung von Fischernetzen am Meeresgrund.
Ein Taucher bei der Bergung von Fischernetzen am Meeresgrund.

© Wolf Wichmann

Auch Greenpeace kritisiert, Deutschland ignoriere die EU-Fischereikontrollverordnung, die die Bergung und Entsorgung verlorengegangener Netze regelt. Die Umweltorganisation hatte im Frühjahr rund eine Tonne Netze in der Nordsee bei Sylt geborgen. Auf eine kleine Anfrage der Grünen-Politikerin bescheinigte die Bundesregierung in der Fischerei verlorengegangenen Netzen einen „nennenswerten Anteil des gesamten Plastikmülls in den Meeren“.

98 Prozent der Nester von Basttölpeln auf Helgoland enthalten Netzreste. Alle Meeresschildkröten, 45 Prozent der Meeressäuger und 21 Prozent der Seevögeln verheddern sich in Geisternetzen. Laut der EU-Verordnung müssen Netze an Bord von Schiffen mit Vorrichtungen zum Bergen versehen werden in Häfen, deswegen hält sie auch ein Meldesystem für nicht notwendig. Die Bundesregierung blieb allerdings eine Antwort auf die Frage schuldig, welche und wie viele Kontrollen diesbezüglich durchgeführt wurden. Unklar ist, ob es überhaupt zu Kontrollen kam. „Deutschland plant keinerlei politische Maßnahmen, noch wird die Notwendigkeit gesehen, um dem Problem der Geisternetze zu begegnen“, sagt Lemke.

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