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Panorama: Ungebremst ins Unglück

Ein Airbus 310 ist nach der Landung in Sibirien verunglückt. Mehr als 120 Menschen starben. Von drei Deutschen haben zwei überlebt

Es passierte, als die Passagiere von Linienflug 778 sich bereits entspannt in ihren Sesseln zurücklehnten: Aus Moskau kommend, setzte der Airbus A 310 präzise auf der Landepiste des Airports im ostsibirischen Irkutsk auf. Gleich danach brach der Funkkontakt zum Tower ab, entsetzt verfolgten die Fluglotsen, wie die Maschine auf die Gegenfahrbahn schlingerte, eine zwei Meter hohe Betonbarriere durchbrach und in eine Wartungshalle am Rande des Flughafens krachte. Es folgte eine Explosion, an Bord brach Feuer aus. So rekapitulierte Verkehrsminister Igor Lewitin vor Journalisten die Katastrophe, bei der Sonntag früh 124 Menschen ums Leben kamen. Weitere 71, darunter sechs Kinder, wurden mit schweren Verletzungen, vor allem hochgradigen Verbrennungen, in die Krankenhäuser gebracht. An Bord waren insgesamt 202 Menschen: 193 Passagiere und neun Besatzungsmitglieder.

Unter den Passagieren waren nach unbestätigten Berichten auch drei Deutsche. Zwei von ihnen sollen das Unglück überlebt haben und werden im Krankenhaus behandelt. Über das Schicksal des dritten Deutschen wurden keine Angaben gemacht. Dem Auswärtigen Amt in Berlin lagen nach Angaben eines Sprechers am Sonntagnachmittag noch keine bestätigten Informationen über die Zahl der Toten und Verletzten vor. Es gebe erste, unbestätigte Hinweise darauf, dass ein deutscher Staatsbürger unter den Verletzten sei. Die deutsche Botschaft in Moskau und das deutsche Generalkonsulat in Nowosibirsk stünden in engem Kontakt mit den russischen Behörden und bemühten sich um Aufklärung.

Nach der Landung und dem Einsetzen der Schubumkehr habe das Bremssystem versagt, berichtete die Nachrichtenagentur Ria Nowosti unter Berufung auf einen an den Ermittlungen beteiligten Behördenvertreter. Anschließend seien weitere Bremsmechanismen ausgefallen. Genaueres könne erst nach der Analyse des Flugschreibers und einer Untersuchung der betroffenen Instrumente gesagt werden. Ein Augenzeuge, Michail Jegerjow, sagte dem russischen Fernsehsender NTW, er habe mit einem Passagier gesprochen, der mit anderen verletzt aus dem Airbus ausstieg: „Er sagte, das Flugzeug sei gelandet, es habe aber nicht gebremst.“

Die Staatsanwaltschaft kündigte eine strafrechtliche Untersuchung an. Verkehrsminister Lewitin sagte, die Landebahn sei durch starken Regen extrem glatt gewesen. Indizien für Terrorismus gibt es bisher nicht. Seit im August 2004 Selbstmordattentäterinnen mit Sprengstoffgürteln unbemerkt an Bord von gleich zwei Flugzeugen gehen konnten, die kurz nach dem Start abstürzten, werden auf dem Moskauer Flughafen Domodedowo, wo auch die Maschine nach Irkutsk startete, alle Passagiere so scharf kontrolliert wie nirgendwo sonst in Russland.

Die Unglücksmaschine gehörte der Fluggesellschaft Sibir, neben der staatlichen Airline Aeroflot eine der größten und sichersten Russlands, die auch Hannover und Düsseldorf anfliegt. Vor gut zwei Jahren rüstete Sibir, so wie inzwischen die meisten russischen Fluggesellschaften, die bis dato vor allem bei Boeing einkauften, die Flotte komplett auf den europäischen Airbus um und hat davon gegenwärtig insgesamt zehn Maschinen der Typen A 310 und A 320 im Einsatz. Ein Sibir-Sprecher drohte gestern jedoch, alle könnten nach Abschluss der Untersuchungen aus dem Verlehr gezogen werden. Anfang Mai war ein A 320 der armenischen Fluggesellschaft Armavia in der Nähe des russischen Schwarzmeer-Kurorts Sotschi ins Wasser gestürzt. Alle 105 Passagiere und die sechsköpfige Crew fanden dabei den Tod. Schuld war vor allem mangelnde Koordination zwischen Cockpit und Tower gewesen. (mit AFP)

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