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Blaublut. Leopold Prinz von Bayern gibt mit 73 noch gern Gas. Er sitzt in einem BMW 328 von 1937.

© Promo/BMW Group Classic

Unterwegs mit dem BMW 328: Mit dem Oldtimer von Hamburg nach Berlin

Oldtimer-Rallyes sind ein Wettrennen der Multitalente, Beifahrer und Humoristen unter den Autofahrern. Ein Selbstversuch – von Hamburg nach Berlin.

Von Sabine Beikler

Er ist der Ur-Ur-Urenkel von König Ludwig I., mit Schwedens König Carl Gustaf befreundet und fühlt sich auf Rennstrecken am wohlsten: Leopold Prinz von Bayern, Kappe, Sonnenbrille und Schal um den Hals, steht vor einem grünen BMW 328, ein Oldtimer Baujahr 1937, und freut sich über den Sonnenschein: „Das weiß-blaue Wetter habe ich aus Bayern mitgebracht.“ Der 73-jährige blaublütige Rennfahrer ist zum dritten Mal dabei bei der 9. Hamburg-Berlin-Klassik, einer der größten Oldtimer-Rallyes im deutschsprachigen Raum. Spektakuläre Sprünge, Verfolgungsfahrten oder waghalsige Überholmanöver bleiben Teilnehmern an den drei Fahrtagen erspart – dafür fliegen dem Rallye-Neuling im Einführungskurs Begriffe wie Chinesenzeichen, Tripmaster, Sanduhrklasse oder Schlauchprüfung um die Ohren.

180 Fahrzeuge gingen vor einer guten Woche in Hamburg an der 120 Jahre alten Fischauktionshalle an den Start: Oldtimer, die älter als 30 Jahre sind, und Youngtimer ab einem Alter von 20 Jahren. Wir fuhren auf Einladung von BMW in einem BMW 1802 Touring, Baujahr 1973. Allen Fahrzeugen der Rallye ist nur eines gemein: In jedem sitzen ein Fahrer und ein Beifahrer. Es ist keine Wissenschaft, an einem solchen Wettbewerb teilzunehmen. Aber es gilt eine Goldene Regel: Der Beifahrer hat immer recht! Er muss navigieren und hat ein 200 Seiten dickes Roadbook auf dem Schoß. Dort sind Kilometerangaben, Wertungsprüfungen, Streckenhinweise, Durchfahrtskontrollen, Pfeile, Linien, Punkte angegeben. Die Pfeile und Linien symbolisieren Straßen oder Kreuzungen. Der Punkt gibt an, woher das Auto kommt; die Pfeilspitze, wohin es fahren soll – die Chinesenzeichen.

Die Oldtimer-Rallyes sind Gleichmäßigkeitsrennen: Es gewinnt nicht der Schnellste, sondern der mit den wenigsten Strafpunkten. Um möglichst wenige zu sammeln, muss man die Prüfungen präzise absolvieren, sich an gewisse Zeiten halten und sich möglichst selten verfahren. Fahrer und Beifahrer sind ein Team: Alle Fehler werden zusammen gemacht. Das leuchtet nicht jedem bei einer Rallye ein. Ein Paar aus Berlin, das schon mehrere Rallyes in ihrem Jaguar C-Type, Baujahr 1953 gefahren ist, sprach augenzwinkernd von „sehr intensiven Tagen“.

Leopold Prinz von Bayern gibt mit 73 noch gern Gas. Er sitzt in einem BMW 328 von 1937.
Leopold Prinz von Bayern gibt mit 73 noch gern Gas. Er sitzt in einem BMW 328 von 1937.

© Promo/BMW Group Classic

Dutzende Oldtimer-Rallyes finden jährlich statt. Jede hat ihren eigenen Charakter. Man fährt auf geschwungenen Passstraßen, durch idyllische Alleen, auf Landstraßen, durch romantische Dörfer. Zum Beispiel in Vorarlberg und Tirol („Silvretta Classic“), im Dreiländereck Deutschland–Österreich–Schweiz („Bodensee-Klassik“), die „Sachsen Classic“. quer durch Italien („Mille Miglia“) – oder eben von Hamburg nach Berlin.

Die 740 Rallye-Kilometer werden in sechs Etappen in drei Tagen gefahren. Über die Eulenspiegelstadt Mölln, Zarrentin am Schaalsee und Burg Neustadt/Glewe geht es nach Fleesensee. Von dort führt am zweiten Tag eine Rundtour über die Alleen von Mecklenburg-Vorpommern durch Krakow am See, Schloss Ulrichshusen und Neustrelitz. In Teterow im Landkreis Rostock gibt es eine Durchfahrtkontrolle auf dem Marktplatz: Der Beifahrer gibt dem Streckenposten die Bordkarte, Stempel drauf, und weiter geht’s. Am dritten Tag geht es über Rheinsberg, Mildenberg, Potsdam nach Berlin. Entlang der Strecke stehen Zuschauer, fotografieren und winken. Und in jedem größeren Ort werden Dutzende von Prospekten durch die Autofenster gereicht.

Während der Rallye gibt es Sonder- und Wertungsprüfungen. Das sind die eigentlichen Herausforderungen: Eine Strecke A von 80 Metern muss in 15 Sekunden gefahren werden. Die Strecke B 320 Meter, gleicher Startpunkt wie bei A, muss in 55 Sekunden gefahren werden. Die Strecke ist durch Lichtschranken in Abschnitte unterteilt. Und dann kommt noch Strecke C: 40 Meter in elf Sekunden, über 320 Meter in 55 Sekunden, bei der die Messung beim Überfahren eines Luftschlauches ausgelöst wird – die Schlauchprüfung.

Eine gute Vorbereitung ist alles: irreführende Zeitangaben umrechnen (was sind 4,25 Minuten?), Prüfungen durchrechnen, Merkzettelchen auf die Roadbook- Seiten kleben, die „Chronomaster App“ fürs iPad programmieren. Die zählt am Ende einer Prüfung laut runter. Elektronik ist in der Sanduhrklasse verpönt: Dort dürfen die Teilnehmer die Zeiten nur mit mechanischen Stoppuhren messen. Jedes Hundertstel über oder unterhalb der Zeit gibt Strafpunkte. Wer die wenigsten hat, gewinnt die Rallye.

Unterwegs wird viel gelacht, die Atmosphäre ist sehr entspannt. Wir erringen schließlich Platz 89. Leopold Prinz von Bayern, Spitzname „Poldi“, kommt weit hinter uns, auf Platz 126. Der Ex-Rennfahrer war sogar 1972 Nordamerikanischer Eis-Meister in Alaska. „Poldi“ nimmt die Platzierung sehr locker: „Wissen’s“, sagt der Bayer, „ich bin halt programmiert auf Terrier und Geschwindigkeit.“ Aber bei der zehnten Hamburg-Berlin-Klassik wird Prinz „Poldi“ freilich wieder dabei sein.

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