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Autos sind am 30.05.2016 in Braunsbach (Baden-Württemberg) unter einer Schutthalde begraben.

© dpa

Unwetter in Deutschland: Was passiert ist, wie es dazu kam, was man beachten sollte

Die schweren Gewitter in Deutschland werfen Fragen auf. Wie kam es dazu? Was hat das mit dem Klimawandel zu tun? Wie kann man sich schützen? Wer zahlt? Fragen und Antworten zum Thema.

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Im Süden Deutschlands haben Unwetter am Sonntagabend und in der Nacht zum Montag große Verwüstungen hinterlassen. Vier Menschen wurden getötet.

Was ist passiert?

Besonders massiv traf das Unwetter den Ort Braunsbach in Baden-Württemberg. Durch das Unwetter schwollen zwei Bäche so stark an, dass sich eine Flut durch die Gemeinde ergoss. „Es zeigt sich hier ein Bild, das kann man sich gar nicht vorstellen“, sagte ein Polizeisprecher. Ganze Straßen seien vom Wasser weggerissen worden, Autos wurden übereinander geschoben. Mehrere Häuser seien einsturzgefährdet, etwa 100 Menschen verloren ihr Zuhause. Tote und Verletzte wurden in diesem Ort nicht gemeldet.

Besonders tragisch und dramatisch verlief ein Rettungseinsatz in Schwäbisch Gmünd. Dort versuchte ein Feuerwehrmann, einen in einer überfluteten Bahnunterführung in einen Schacht eingesogenen Mann zu befreien. Bei dem Befreiungsversuch wurde laut Polizei auch der Retter mit eingesogen. Bei beiden Männern gehen die Ermittler davon aus, dass sie tot sind. Ein 13 Jahre altes Mädchen kam an der Bahnstrecke zwischen Schorndorf und Urbach ums Leben. Die Schülerin habe mit einem zwölf Jahre alten Jungen auf dem Heimweg unter einer Eisenbahnbrücke Schutz gesucht. Dabei habe sich das Mädchen wohl zu nahe an die Gleise begeben und sei von einem vorbeifahren Intercity erfasst und getötet worden. Ihr Begleiter sei unverletzt geblieben. In Weißbach bei Heilbronn ertrank ein 60 Jahre alter Mann in einer vollgelaufenen Tiefgarage.

Wie kam es zu diesen Unwettern?

Über weiten Teilen Deutschlands lag am Wochenende warme, feuchte Luft. Von Westen her strömte kühlere Luft heran. Dort, wo die beiden Massen aufeinandertrafen, kam es zu starken Gewittern. Normalerweise sind solche Ereignisse sehr lokal, ein typisches Gewitter hat nur einen Durchmesser von wenigen Kilometern. Am Sonntagabend jedoch bildete sich entlang der Luftmassengrenze förmlich ein Gewitterkomplex, der vom Norden Baden-Württembergs bis nach Südwest-Bayern reichte, erläutert Simon Trippler vom Deutschen Wetterdienst (DWD). Die feuchtwarme Luft rotierte gegen den Uhrzeigersinn um das Tief „Elvira“, aber nur sehr langsam. Deshalb hätten die Regionen im Zentrum ausgesprochen viel Regen abbekommen. Bis zu 65 Liter pro Quadratmeter und Stunde hat der DWD gemessen, ehrenamtliche Wetterkundler haben bei Pforzheim sogar mehr als 120 Liter pro Quadratmeter in 24 Stunden gemessen. „Das ist schon außergewöhnlich“, sagt Trippler.

Häufen sich Extremwetterlagen?

Gewitter mit Starkniederschlägen und Sturmböen dürften im Zuge des Klimawandels häufiger und intensiver ausfallen. Denn steigende Temperaturen führen dazu, dass die Luft wärmer wird und mehr Feuchtigkeit aufnehmen kann – zwei wesentliche Voraussetzungen für extremes Wetter. Bisher gibt es jedoch keinen klaren Beleg dafür, dass es über einen längeren Zeitraum betrachtet tatsächlich zu einer Häufung der Wetterextreme kommt. Das liegt daran, dass Wetterextreme per se selten sind, dementsprechend schwer ist es, in der geringen Zahl einen statistischen Trend zu erkennen. Gleichwohl erwarten Wetterdienste und Versicherer, dass diese Entwicklung eintreten und auch belegt werden wird.

Was macht die Vorhersage so schwierig?

Alle Wetterphänomene, bei denen das Aufsteigen feuchtwarmer Luft eine große Rolle spielt, sind schwer vorherzusagen. „Man denke an einen Topf mit kochendem Wasser“, erläutert Trippler. „Jeder weiß, dass darin Dampfblasen entstehen und aufsteigen, aber wo genau, das kann man nicht vorhersehen.“ Ähnlich ist es mit dem Wetter an einem heißen Tag. Die Gewitterneigung ist da und wird von den Wetterdiensten angekündigt. Aber wo es sich zusammenbraut und losbricht, bleibt lange unklar. Und es kann schnell gehen, sagt der DWD-Metorologe. Binnen zehn Minuten können Wolken in die Höhe schießen, dann fallen bereits die ersten Tropfen; zehn Minuten später kann sich das Gewitter schon zum Unwetter gesteigert haben.

Was erwarten die Meteorologen für die nächsten Tage?

Der Dienstag wird eher ruhig verlaufen, doch am Mittwoch kommt bereits das nächste Tief heran. Im Norden und Nordosten Deutschlands müsse man mit Schauern und Gewittern rechnen, zum Ende der Woche auch im Süden. Nach bisheriger Einschätzung des DWD ist das Unwetterpotenzial aber nicht mehr so hoch wie am Sonntag.

Was sollte man im Fall einer Unwetterwarnung beachten?

Wer sich draußen aufhält, sollte ungeschützte Orte meiden, an denen man von umherfliegenden Gegenständen getroffen werden kann. Am besten ist, man sucht Schutz in Gebäuden, rät das Bundesamt für Bevölkerungsschutz und Katastrophenhilfe (BBK). Wegen möglicher Blitzeinschläge sollte man sich von Erhebungen, Türmen, Masten, Bäumen fernhalten und sich nicht an Zäune lehnen – in Auto, Bus und Bahn ist man vor ihnen sicher.

(Eine ausführlichere Darstellung, was man alles beachten sollte, finden Sie hier.)

Warum wird so schnell von Unwetter geredet?

Zum einen hat der Deutsche Wetterdienst schon 2014 festgestellt, dass eigentlich seltene Wetterlagen häufiger registriert und wahrgenommen werden. Dazu gehört die sogenannte Vb-Wetterlage, die 2002 und 2013 zu den Elbe-Fluten geführt haben. Der DWD gibt aber auch immer öfter Unwetterwarnungen heraus. Das liegt daran, dass der Wetterdienst in früheren Jahren oft dafür kritisiert worden ist, dass er zu wenig vor Unwettern gewarnt habe. In Berlin gibt es seit 2014 eine SMS-Warnung des Katwarn-Systems. Wer sich unter http://j.mp/1s9tmPj anmeldet, bekommt dann Warnungen zugeschickt. Die Warnungen, aber auch die ständige Nutzung von Informationsmedien lässt zudem jedes Unwetter näher an die Menschen heranrücken. Es gab auch früher schwere Hagelschläge. So schwer, dass ein Großteil der deutschen Bauern bereit ist, eine Hagelversicherung abzuschließen. Aber die Bilder waren nicht allgegenwärtig, sondern wurden früher überwiegend nur in der betroffenen Region wahrgenommen.

Warum sind die Folgen so dramatisch?

In Deutschland gibt es kaum noch einen Fluss, der nicht seit dem frühen 19. Jahrhundert begradigt und in ein neues, enges Flussbett gepresst worden wäre. Dabei sind zwei Drittel der Auenlandschaften zerstört worden. Dort kann Hochwasser nicht mehr versickern. Zudem werden bis heute jeden Tag 96 Fußballfelder (69 Hektar) bebaut – mit Häusern, Straßen, seltener Schienen oder anderer Infrastruktur. Nicht alle diese Flächen sind vollständig versiegelt. Aber viele sind nicht mehr ausreichend durchlässig. All das trägt dazu bei, dass die Scheitelwelle der Flüsse schneller anschwillt und je nachdem, wo es überall regnet, auch immer öfter zu großen Überflutungen führt. Die Schäden sind vor allem deshalb immer größer geworden, weil teilweise bis heute neue Grundstücke viel zu nah an den Flüssen oder Seen ausgewiesen und bebaut werden. Je mehr teure Infrastruktur in Flussnähe gebaut ist, desto höher sind die Schäden, wenn diese Häuser, Fabriken oder auch nur Felder überflutet werden.

Wer zahlt bei Schäden?

Verursacht der Blitzeinschlag Feuer, so sind Schäden entweder durch die Hausrat- oder die Wohngebäudeversicherung gedeckt. Häufig sind sogenannte Überspannungsschäden, wenn der Blitz zum Beispiel in die Dachantenne fuhr und im Stromnetz des Hauses eine Überspannung auslöste. Das kann Fernseher, Hifi-Anlagen oder Computer beschädigen. Eine solche indirekte Blitzfolge ist nur dann versichert, wenn in der Police ausdrücklich Überspannungsschäden mitversichert sind. Dieser Umstand könne zu Spannungen zwischen Versicherern und Kunden führen, berichtet die Agentur Fintext.

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