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Auch in der Katastrophe ist Italien noch malerisch. Der überflutete Marktplatz von Chiavari.

© dpa

Unwetter in Italien: Katastrophe nach Art des Hauses

Unwetter verwüsten Italien. Dass die Folgen so verheerend sind, liegt auch an Fehlern in der Verwaltung. Ein Ärgernis sind vor allem die Marmorabbaufirmen in Carrara, die ihren Schutt unkontrolliert in den Fluss werfen und so das Bett verengen.

Schwere Gewitter und tagelange Regenfälle, Wirbelstürme, Überschwemmungen, Schlammlawinen und Erdrutsche – seit Wochen gibt es in Italien schwere Unwetter. Und was da gerade das ganze Land heimsucht, ist nicht die erste Welle in diesem Herbst: Gerade der Nordwesten, der in diesen Tagen am meisten zu leiden hat – Ligurien, Genua, die Riviera, die toskanische Küste – war bereits vor vier Wochen Schauplatz etlicher Tragödien. Schon jetzt sind sieben Schultage einfach ausgefallen; den Kindern war der Weg nicht zuzumuten. Museen und andere öffentliche Einrichtungen blieben ebenso geschlossen. Straßen im Matsch versunken, Eisenbahnlinien verschüttet. Gestorben sind bisher drei Menschen, hunderte mussten ihre Häuser verlassen und können wohl auf Wochen nicht zurückkehren.

Jetzt rebellieren die Einwohner. In der toskanischen Stadt Carrara halten jene, deren Häuser evakuiert wurden, die Kleider noch voller Schlamm, das Rathaus besetzt. Ein Demonstrationszug mit mehr als 2000 Menschen verlangte den Rücktritt des ganzen Gemeinderats, gegen den Bürgermeister flogen Steine. Die Staatsanwaltschaft ermittelt – aber nicht nur gegen die Demonstranten.

Denn in Carrara und in Genua lässt sich ziemlich genau jenes menschliche Versagen aufzeigen, das die eigentlich herbstlich-normalen Wetterereignisse beinahe jedes Jahr zu Katastrophen ausarten lässt. In Carrara beispielsweise war es nicht nur der Bergbach Carrione, der die Stadt schon 2003 und 2012 verwüstet hat – beteiligt waren auch die 140 industriellen Marmorsteinbrüche entlang seines nur 20 Kilometer langen Laufes. Sie kippen, wie eine Geologen-Studie fotografisch dokumentiert hat, ihren Abraum unkontrolliert und unbekümmert in den Fluss. Sie verengen damit das Bachbett, zwingen das Wasser, sich andere Wege zu suchen und verstärken seine Wucht. So schwillt der im Sommer unscheinbare Bach bei Unwettern massiv an.

Der Marmor bringt Reichtum, an die Firmen wagt sich keiner ran

Aber in Carrara, sagen die Demonstranten, gehe der Reichtum bringende Marmor eben vor, blieben die Abbaufirmen unantastbar, ihr Filz mit der Stadtregierung undurchdringlich. Hinzu kommt jetzt der Vorwurf von Schlamperei am Bau: Der Carrione war erst 2010 neu eingedeicht worden. Die Betonmauer aber, mit der die Stadt sich schützen wollte, knickte auf 114 von 140 Metern einfach weg; 1600 Häuser versanken im Wasser. „Die Verantwortlichen müssen zahlen“, sagt der Gouverneur der Toskana, Enrico Rossi. Das hätten die Demonstranten auch gerne.

Dumm nur, dass am anderen Schauplatz, in Genua, auch Politiker zu den Verantwortlichen gehören. Für die Sicherung des Sturzbaches Bisagno, den man vor vielen Jahren in einen viel zu knapp bemessenen Tunnel gezwängt hatte, standen schon seit Jahren die erforderlichen Millionen bereit. Doch das Geld wurde nie ausgegeben. Mal waren es Gerichtsprozesse um Formfehler bei der Auftragsvergabe, mal die Vergesslichkeit der Stadtregierung in den Schönwetterperioden, und nicht einmal die Verwüstungen, die der Fluss 2010 angerichtet hatte, änderten etwas daran. Vor einem Monat brach er wieder aus seinem Flussbett hervor, verheerte ein ganzes Stadtviertel und riss einen Mann mit sich.

Jetzt, wie nach jeder Katastrophe, soll wieder einmal alles besser werden. Bei der Prüfung fast vergessener Konten hat die Regierung in Rom festgestellt, dass zwei Milliarden Euro, die seit Jahren für den Hochwasserschutz und die Sanierung von Sturzbächen bereitstehen, von den Gemeinden nicht abgerufen worden sind. Nun steigt der Druck auf die Verwaltung.

Umweltminister Gian Luca Galletti rüffelt die Gemeinden aber auch aus einem anderen Grund: Sie hätten allzu lange den Bau von Häusern und Industrieanlagen in Bachbetten zugelassen; ebenso wenig hätten sich private Bauherren um entsprechende Verbote gekümmert – und mussten keine Strafen befürchten. Frühere Regierungen erließen regelmäßig Amnestie-Dekrete. Damit, kündigte Galletti an, soll nun Schluss sein.

Ein Fortschritt ist der Regierung bereits gelungen: Verwaltungsgerichte – so die Lehren aus dem Fall Genua – dürfen Schutzbauten nicht mehr pauschal blockieren oder gar die Baustellen auf Jahre hinaus beschlagnahmen. Sie müssen das öffentliche Interesse abwägen gegen das kleine geschäftliche Interesse einzelner Baufirmen, die sich aus Formgründen um den Auftrag streiten.

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