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Ein Nilpferd erkundete die Gegend in der Nähe seines Zoos. Es stapfte durch den Schlamm in den Straßen von Tiflis, vorbei an Autos, die teils bis zum Heck in einer Lawine aus Schutt und Erde steckten.

© dpa

Unwetter in Tiflis: Bären, Löwen und Nilpferde aus Zoo ausgebrochen

Chaos in Tiflis: Bei schweren Überschwemmungen kommen viele Menschen ums Leben. Raubtiere brechen aus dem Zoo aus. Auf den Straßen der georgischen Hauptstadt herrscht Wildtier-Alarm.

Löwen und Tiger irren orientierungslos und voller Angst durch die Straßen und nehmen die dort geparkten Autos offenbar als Fressfeinde wahr. Wölfe streifen durch Parks und Gärten, ein Bär erkundet vom Fenstersims aus eine Wohnung im Hochparterre. In einem Außenbezirk wurde sogar ein schwarzer Panther gesichtet. Es herrscht Chaos an diesem Sonntag in Georgiens Hauptstadt Tiflis, wo Starkregen in der Nacht für eine Serie von Erdrutschen sorgte.

Schlamm und Geröll stauten die Kura auf, die alsbald über die Ufer trat und ihre reißenden Wasser Richtung Zoo wälzte. Die Zäune der Gehege hielten dem Druck nicht stand, die Tiere brachen aus und suchten ihr Heil in der Flucht vor den Wassermassen. Offenbar entkam auch ein Krokodil. Mindestens elf Menschen starben, darunter zwei Mitarbeiter des Zoos. Ob sie durch das Unwetter ums Leben kamen oder von den stromernden Raubtieren getötet wurden, war zunächst unklar. Drei weitere werden noch vermisst.

Ein anderes Nilpferd wurde mit einem gezielten Schuss betäubt.
Ein anderes Nilpferd wurde mit einem gezielten Schuss betäubt.

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Zwar verschossen Spezialkräfte Betäubungsmittel, um den Rettungsmannschaften das Einfangen der Tiere zu erleichtern. Erfolgreich waren sie nur in wenigen Fällen. Unter anderem bei einem Nilpferd. Mit vereinten Kräften trieben und schoben mehrere Männer das Tier wieder in Richtung Zoo, wie in einem Video des TV-Senders 1. Kanal der Südkaukasusrepublik zu sehen war. Wie das lokale, russischsprachige Nachrichtenportal Gruzia online meldete, konnte nur eine sehr geringe Zahl von Tieren gerettet werden. Bisher ist unklar, ob die Tiere Menschen anfielen. Nachrichtenagenturen berichteten, Schreie und Schüsse seien zu hören gewesen. Erst später wurde bekannt, dass etliche der Raubtiere erschossen wurden, darunter auch sechs der insgesamt 20 ausgebrochenen Wölfe auf dem Gelände eines Kinderkrankenhauses. Siebzehn Pinguine sollen im Wasser, das eigentlich ihr Element ist, den Tod gefunden haben. Am Sonntagnachmittag kreisten noch immer Hubschrauber über der Stadt und deren Umland, um weitere „Flüchtlinge“ zu orten.

Mit Hubschraubern wird versuchtdie "Flüchtlinge" zu orten

Polizei und Behörden von Tiflis riefen die 1,2 Millionen Einwohner der Stadt auf, ihre Häuser nach Möglichkeit nicht zu verlassen. Dies galt besonders für diejenigen, die in der Nähe des Zoos wohnen. Durch den Stress seien die Tiere, die sonst Konflikte mit Menschen und sogar deren Nähe meiden, „extrem aggressiv“, sagte Dompteur Artur Bagdassarow, in Russland ein Star der Szene, bei Radio Echo Moskwy. Die Tifliser sehen das offenbar anders. Viele posteten bereits Fotos der entlaufenen Raubtiere, darunter auch Selfies. Bei vielen sind im Hintergrund von Schlamm begrabene Autos zu sehen.

Das Unwetter war eines der schwersten der jüngsten Zeit in Georgien. Der Sachschaden soll sich auf einen Betrag im zweistelligen Millionenbereich belaufen. In mehr als 100 Häusern lief das Erdgeschoss voll Wasser und richtete große Schäden an. „Alles, was ich in 50 Jahren gesammelt habe, hat das Wasser in nur fünf Minuten mitgerissen. Ich habe gar nichts mehr“, klagte eine verzweifelte ältere Frau im Staatsfernsehen. Das Wasser zerstörte auch mehrere Gas- und Wasserleitungen.
Präsident Georgi Margwelaschwili sprach den Angehörigen der Toten sein Beileid aus. Alles werde rasch wieder aufgebaut, versprach er. Das Finanzministerium sagte Hilfe in Höhe von umgerechnet knapp vier Millionen Euro zu. Regierungschef Irakli Garibaschwili sagte, die Überschwemmungen hätten „großen Schaden“ angerichtet. Der Zivilschutz der Ex-Sowjetrepublik mit rund 4,5 Millionen Einwohnern richtete einen Krisenstab ein.
Zu Wort meldete sich schnell auch Ilija II., der Patriarch der Georgisch-Orthodoxen Kirche: Die Flutung des Zoos sei Gottes Strafe für die Sünden der Kommunisten. Diese hätten nach Errichtung der Sowjetmacht 1920 in Georgien Kreuze und Kirchenglocken eingeschmolzen. Mit dem daraus geprägten Geld sei auch der Zoo gebaut worden.

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