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Fischmarkt

© dpa

Unwetter: Orkan "Tilo" tobt an der Nordseeküste

Höchste Alarmstufe an der deutschen Nordseeküste: Fährverbindungen zu den niedersächsischen Nordseeinseln wurden eingestellt. In Emden überschwemmten die Wassermassen bereits den Hafen. Die Nordsee-Insel Helgoland befürchtet Millionenschäden - und auch Hamburg kämpft zur Stunde gegen die Sturmflut.

Mit mehr als 120 Stundenkilometern tobte Orkan "Tilo" über Teilen West- und Nordeuropas. In Niedersachsen wurde das Ems-Sperrwerk geschlossen, Fähren blieben in den Häfen, der Rotterdamer Hafen war nahezu dicht, vor Norwegen wurde die Ölförderung gestoppt, und in England saßen 1000 Menschen eine Nacht lang in Notunterkünften.

Im Hamburger Hafen wurde am Nachmittag eine schwere Sturmflut mit Wasserständen bis zu 3,50 Meter über dem mittleren Hochwasser erwartet. Am Nachmittag begannen die Mitarbeiter der Büros in Elbnähe, Computer und Unterlagen in den 1. Stock der Gebäude zu räumen. "Hier steht das Wasser schon fast in der Kantine", sagte Designerin Claudia Stein. "Wir kommen jetzt auch nicht mehr trocken hier raus."

Der Leiter des Sturmflutwarndienstes beim Bundesamt für Seeschifffahrt und Hydrographie (BSH), Sylvin Müller-Navarra, sagte: "Nachdem es zunächst in der Nacht so aussah, dass die Sturmflut schwächer ausfallen könnte, scheint nun unsere Prognose doch einzutreffen." Die Deutsche Bucht sei weltweit das am stärksten von Sturmfluten bedrohte Gebiet.

In Deutschland erreichte die Flut zuerst die ostfriesische Insel Borkum. "30 Zentimeter mehr, und wir hätten den Hafen evakuieren müssen", sagte ein Sprecher. Nach Behördenangaben wurden am Mittag in Niedersachsen auf den Inseln 2,5 Meter und in Emden 3,29 Meter über dem mittleren Hochwasser gemessen.

Emssperrwerk geschlossen

Sturmflut an Nordseekuüste
Der überflutete Bahnhof in Emden. -

© ddp

"So etwas habe ich ja noch nie gesehen", erschreckten sich Passanten in Emden angesichts der Wassermassen, die in den Hafen liefen. Schilder standen in den Fluten, das Wasser drückte gegen den kleinen Bahnhof am Hafen. Fährverbindungen zu den niedersächsischen Nordseeinseln wurden teilweise eingestellt. Wegen der erwarteten schweren Sturmflut war Freitag das 476 Meter lange Emssperrwerk bei Emden geschlossen worden, um die Überflutung des Hinterlandes zu verhindern.

Die Nordsee-Insel Helgoland befürchtet Millionenschäden. "So wie es aussieht, sind am Nordstrand der Düne hunderttausende Kubikmeter Sand vom Wasser weggerissen worden", sagte Bürgermeister Frank Botter. Seit 30 Jahren sei Helgoland nicht mehr so hart von einer Sturmflut getroffen worden.

In Nordfriesland fuhr keine Fähre zwischen Sylt und Dänemark. Auch die Schiffsverbindungen vom Festland zu den Halligen Hooge und Langeneß waren unterbrochen, weil der Wasserstand an den Molen zu hoch zum An- und Ablegen war. Auf den Halligen könnten die Orkanböen am Freitagabend bis zu 140 Stundenkilometer erreichen, warnte der Wetterdienst Meteomedia. Die Meteorologen riefen am Freitagmorgen für die nordfriesische Küste die höchste Warnstufe "violett" aus.

England war gut vorbereitet

Tausende Menschen im Osten Englands wurden nur knapp von schweren Überschwemmungen verschont. Am Morgen stiegen die Pegelstände der Nordsee durch den Sturm zwar gefährlich an, doch blieben sie unter dem Niveau der Schutzwälle. Dennoch wurden mehrere Straßen und Keller überschwemmt. Seit Donnerstagabend hatten fast 1000 Menschen die Nacht in Notunterkünften verbracht. Sicherheitshalber wurde das Flutwehr der Themse geschlossen. Gary Stubbs (47), Wirt des Pubs "The Poachers Pocket" im ostenglischen Küstendorf Walcott (Grafschaft Norfolk), erzählte: "Ich lebe hier seit 13 Jahren, aber das waren die schlimmsten Wellen, die ich je erlebt habe. Das ist halt pure Gewalt der Natur, und es gibt nichts, was sie stoppen kann." In dem Ort beschädigten die Wellen mehrere Häuser.

Sturmwehr
Erstmals im Einsatz: Die Maeslant-Flutwehr bei Rotterdam (Archivbild). -

© dpa

Die Niederlande hatten erstmals überhaupt das 1997 fertiggestellte Sturmflutwehr vor dem Rotterdamer Hafen wegen des hohen Wasserstandes geschlossen. Die beiden je 210 Meter langen getrennten Flügel des riesigen Bauwerks wurden um Mitternacht in den Schifffahrtsweg geschwenkt. Teile des größten europäischen Hafens sollten bis Freitagabend gesperrt bleiben. Der wirtschaftliche Schaden sei jedoch begrenzt, da bei Sturm ohnehin weniger Schiffe ein und ausliefen, sagte ein Hafensprecher.

Der Orkan hatte auch Teile der norwegischen Öl- und Gasförderung lahmgelegt. Der Rundfunk in Oslo berichtete, die Produktion sei eingestellt worden, um die Plattformen auf See bei Gefahr zu evakuieren. (mit dpa)

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