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Unwetterkatastrophe: Brasilien: Nicht der Regen ist schuld

Mehr als 500 Menschen starben bei einer der schlimmsten Unwetterkatastrophen in der Geschichte Brasiliens. Die von Erdrutschen bedrohten Städte waren zuvor gewarnt worden – das wurde ignoriert.

Teresópolis, Petrópolis, Nova Friburgo – es sind historische Städte mit klangvollen Namen. Einige dienten schon im 19. Jahrhundert wegen des kühlen Bergklimas als Sommerfrische für reiche Einwohner Rio de Janeiros, die der Hitze der Stadt am Zuckerhut entfliehen wollten. Seit zwei Tagen stehen die Namen der Städte für Tod, Zerstörung und Trauer. Mindestens 510 Menschen starben bei einer der schlimmsten Unwetterkatastrophen in der Geschichte Brasiliens. Gigantische Schlammlawinen gingen ab. Die Region ist im Schockzustand. Für die Helfer hat ein Wettlauf mit der Zeit begonnen. Es geht um Leben und Tod. Hunderte Feuerwehrleute, Soldaten und Zivilschutzhelfer suchen mit Hunden und schwerem Gerät nach Überlebenden. „Die Hoffnung stirbt immer zuletzt“, sagt Feuerwehr- Kommandant José Pedro Miranda. „Die Zeit ist kurz. Aber ich glaube, es ist möglich, noch Überlebende zu finden. Wir müssen sehr schnell arbeiten.“

Wegen neuer starker Regenfälle und damit drohender weiterer Erdrutsche müssen die Rettungsarbeiten häufig unterbrochen werden. Zu zahlreichen zerstörten Gemeinden konnten die Bergungsmannschaften immer noch nicht vordringen. Daher wird mit einem drastischen Anstieg der Opferzahlen gerechnet, sind bisher nicht einmal Schätzungen möglich. Hilfsgüter gelangen nur spärlich zu Betroffenen, es fehlt überall an Nahrungsmitteln und Trinkwasser. Eine Welle von Plünderungen und Raubüberfällen verstärkt zudem Entsetzen und Panik, vor allem Hotels und Luxusherbergen werden systematisch ausgeraubt. In den vielen mitten in der Hochsaison verwüsteten Touristenorten haben sich daher Ladenbesitzer bewaffnet hinter den geschlossenen Rollläden verbarrikadiert, befürchtet die Polizei Lynchjustiz. Die Regierung versprach daher, Elitetruppen zu entsenden. Laut Sergio Cabral, Gouverneur des Teilstaats Rio de Janeiro, würden die kommenden Tage sehr kritisch.

„Brasilien ist nicht Bangladesch – es gibt keinerlei Entschuldigung für so viele Erdrutschtote“, erklärte die UNO-Katastrophenexpertin Debarati Guha-Sapir. Die Regenfälle seien natürliche Phänomene, indessen fehle in Brasilien politischer Wille zu entsprechenden Präventivmaßnahmen. Deshalb wiederholten sich derartige Dramen Jahr für Jahr. 2010 waren in der Stadt Rio de Janeiro sowie in der Umgebung bei Erdrutschen ebenfalls Hunderte von Menschen umgekommen.

Fachleute argumentieren nicht anders als die Uno. Die Katastrophe von Mittwochnacht sei Resultat staatlicher Umwelt- und Sozialpolitik unter Präsident Lula und den Vorgängerregierungen. „Es ist nicht der Regen, der hinter Gitter muss“, titelt die Zeitung „O Globo“ in Rio de Janeiro. Zu den haarsträubendsten Fehlleistungen zählt, dass hochmoderne importierte Radaranlagen exakte Voraussagen der jüngsten saisonalen Gewitterregen lieferten, wegen fehlender Techniker die Daten jedoch nicht ausgewertet wurden. Die Zivilverteidigung des Teilstaats Rio übermittelte Stunden vor der Katastrophe den betroffenen Städten und Gemeinden entsprechende meteorologische Warnungen – diese gingen indessen allen Ernstes verloren, wurden nicht genutzt. mit dpa

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