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Die Definition des Wortes "Gutmensch". Es werde "meist abwertend oder ironisch" gebraucht. "Gutmensch" ist das "Unwort des Jahres 2015".

© dpa

Unwort des Jahres 2015: Gutmenschen, das sind immer die anderen

"Dumm, naiv und weltfremd": Das Wort "Gutmensch" sei eine Beleidigung und werde ironisch verwendet, so die Jury, die das Wort zum "Unwort des Jahres 2015" gerügt hat. Vielleicht will nun wieder jemand Gutmensch sein? Ein Kommentar.

Ein Kommentar von Lars von Törne

Die politische Situation ist polarisiert, der Sprachgebrauch ebenfalls. Deshalb ist es kein Wunder, dass auch die traditionell links orientierte Jury, die alljährlich das „Unwort des Jahres“ wählt, nein, „rügt“, in diese Debatte parteiisch eingreift und klar Stellung bezieht: „Gutmensch“ ist für sie das Unwort 2015. Die naheliegende rein formale Kritik wird gleich im ersten Satz der Presseerklärung beiseitegeschoben: „Das Wort Gutmensch ist zwar bereits seit langem im Gebrauch und wurde auch 2011 schon einmal von der Jury als ein zweites Unwort gewählt, doch ist es im Zusammenhang mit dem Flüchtlingsthema im letzten Jahr besonders prominent geworden.“

Das mag stimmen, und in der Tat ist es beschämend, wenn Menschen, die sich privat und ehrenamtlich für Flüchtlinge engagieren, die sich Angriffen auf Flüchtlingsheime entgegenstellen, derart ironisiert werden. Mit dem Vorwurf des Gutmenschentums würden, so heißt es weiter, „Toleranz und Hilfsbereitschaft pauschal als naiv, dumm und weltfremd, als Helfersyndrom oder moralischer Imperialismus diffamiert“. Richtig.

Allerdings sieht es in der alltäglichen Auseinandersetzung so aus, als gebe es den Gutmenschen gleich zweimal: Zum einen als jenen Kampfbegriff der Rechten, den die Jury meint, zum anderen aber als polemische Zuspitzung in der politischen Debatte, die nicht auf Taten zielt, sondern auf Argumente. Denn wenn das Wort den tatsächlich äußerst fragwürdigen Kulturrelativismus von Kombattanten wie Claudia Roth oder Jakob Augstein meint, gewinnt er durchaus an Legitimität.

Die Begründung für "Gutmensch" überzeugt mich eher nicht, in meinen Ohren schlägt dieses Wort in der Regel auf seinen Urheber zurück (der damit das Engagement anderer ins Lächerliche rückt, um die eigene Passivität und Kaltherzigkeit zu rechtfertigen).

schreibt NutzerIn vlado13

Deshalb wirkt es recht fragwürdig, wenn die Jury zum Beleg ihrer Rüge einen Handelsblatt-Beitrag von Wolfram Weimer zitiert, in dem er von „Gutmenschen-Gegurke im Parteiauftrag“ spricht, damit aber nicht die Helfer attackiert, sondern eine überdrehte ZDF-Gala, die auch vom „Spiegel“ als schönfärberisch und propagandistisch kritisiert wurde. Das ist Polemik, die man teilen mag oder nicht. Aber sie hat sich keiner Rüge von oben herab zu stellen.

Interessant mag sein,  dass das Wort „Gutmensch“ der Jury nicht am häufigsten eingereicht wurde – öfter kam der Begriff „Willkommenskultur“, das österreichische „Wort des Jahres“. Es war klar, dass es bei der Jury keine Chance haben würde, obwohl es eine euphemistisch hohe Dosis volkserzieherischer Absichten enthält  - aber es sind eben die in den Juroren-Augen richtigen…

Den zweiten Platz auf der Unwort-Liste nimmt der Begriff „Hausaufgaben“ ein, gemünzt auf die griechische Regierung und die Auflagen, die ihr von der Troika gemacht wurden. Richtig: Das kommt von hohen Ross und stellt die  demokratisch gewählte griechische Regierung als Pennälergruppe dar, die den Anforderungen der Lehrer nicht genügt, die ihre Hausaufgaben nicht erledigt hat.

Aber auch das ist natürlich wieder Ansichtssache: Man kann durchaus die Auffassung vertreten, dass das Taktieren der Griechen eine solche Haltung durchaus provoziert und damit legitimiert habe.

Keine Debatte kann es dagegen beim dritten Unwort geben, das allerdings offenbar keine große Bedeutung gewonnen hat. Es ist „Verschwulung“, ein Kampfbegriff, mit dem sich der Autor Akif Pirincci in die Schlacht um Deutschland geworfen hat, ein Dokument der Verwirrung, das aber wohl nur dort Widerhall fand, wo man die Nähe zur von den Nazis geprägten „Verjudung“ als besonderes Schmankerl empfindet.

Tatsächlich handelt es sich also um eine Prägung, die mehr über die individuelle Paranoia des Urhebers als über den aktuellen Sprachgebrauch besagt. In hohem Maße unappetitlich ist der Begriff aber ohne jeden Zweifel.

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