zum Hauptinhalt

Panorama: Urlauber müssen Rückflug zwei Mal bezahlen

Noch sind mehr als 200 Touristen in Antalya gestrandet – Name der DDR-Fluggesellschaft gehört Türken

Für die gestrandeten Urlauber in Antalya war es ein Albtraum. „Für meine Familie musste ich 800 Euro für den Rückflug auf den Tisch legen“, berichtet der Nürnberger Gerold Kümmer. Da er das nicht konnte, habe er sich Geld bei einem Mitreisenden geliehen. Weniger Glück hatte Luzie Helios mit ihren Kindern. Aus Mangel an Bargeld musste sie ihr Mobiltelefon als Pfand am Schalter von Öger Tours in Antalya zurücklassen. Erst wenn die Summe beglichen sei, bekomme sie ihre Wertsachen zurück, wurde ihr gedroht. Mit dem Lachen der Verzweiflung zieht sie einen handgeschriebenen Beleg für die Pfandleihe aus der Tasche. Viele Heimkehrer berichten von Freunden, die Handys oder Schmuck gegen einen Rückflug eingetauscht hatten.

Einige Reisende bekamen die Flugtickets letztlich kostenlos. Warum, das wussten sie selbst nicht. „Eine halbe Stunde vor uns, mussten noch alle bezahlen“, erzählt Boche. „Aber wir haben lange mit Warten durchgehalten. Wir sind halt echte Schwaben.“

Die in der Türkei gestrandeten Urlauber aus Deutschland hatten bei Interflug gebucht. Das ist der Name der einstigen DDR-Fluggesellschaft. Der türkische Reiseveranstalter Kemal Atakan aus Hamburg hatte den Namen von der Treuhand gekauft. Der Billiganbieter, der Pauschalreisen verkauft, aber nicht selbst fliegt, hat Insolvenzantrag gestellt. Ein Großteil der rund 1000 gestrandeten Urlauber wurde inzwischen von der Konkurrenz nach Deutschland zurückgebracht. Mehr als 200 Urlauber haben noch keinen Rückflug. Die Hotels ließen die Betroffenen zum Teil erst nach erneuter Bezahlung ihrer Zimmer ziehen.

„Das Volk fliegt mit uns“, war einst das Motto von Atakan, der Pauschalreisen anbot. Seine Zielgruppe seien Menschen mit wenig Geld, aber einem „Recht auf Urlaub“, hatte er vor anderthalb Jahren erklärt. Die Interflug habe ihn als politischen Verfolgten nach dem Militärputsch in der Türkei 1980 in die Freiheit geflogen, begründete er damals sein Interesse an der DDR-Airline. Mit dem Traditionsnamen wollte er besonders den ostdeutschen Markt erobern. Auch an die Wiedergründung der Interflug als Fluggesellschaft hatte Atakan gedacht. Bis dahin bediente er sich überwiegend der türkischen Onur Air, die wegen Sicherheitsmängeln kürzlich ins Gerede kam. Erst vor wenigen Tagen erhielt sie unter strengen Auflagen die Einflugrechte für Deutschland zurück.

Schon länger hatten sich in den Internet-Reiseforen die Negativ-Berichte von Interflug-Urlaubern über schlechte Hotels und mangelnden Service gehäuft.

Gestrandete Reisende können versuchen, ihre Ansprüche bei dem vom Hamburger Amtsgericht noch einzusetzenden Insolvenzverwalter geltend zu machen, teilte der Deutsche Reisebüro- und Reiseveranstalter-Verband (DRV) mit. Die vorgeschriebene Insolvenzversicherung war von der Zürich-Versicherungsgruppe bereits zum 30. April gekündigt worden. Laut Gesetz müssen Reiseveranstalter über eine gültige Insolvenzversicherung verfügen und den Kunden einen entsprechenden Sicherungsschein aushändigen.

Strafanzeigen von Betroffenen seien noch nicht eingegangen, sagte der Hamburger Oberstaatsanwalt Rüdiger Bagger dem Tagesspiegel. Man prüfe die Aufnahme eines Ermittlungsverfahrens wegen Betrugsverdachts. (mit dpa)

Rainer W. During

Zur Startseite

showPaywall:
false
isSubscriber:
false
isPaid:
showPaywallPiano:
false