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Urteil in Los Angeles: Jacksons Arzt der fahrlässigen Tötung schuldig

Michael Jacksons Leibarzt Conrad Murray muss wegen fahrlässiger Tötung ins Gefängnis. Fans des "King of Pop" feiern den Schuldspruch mit Jubelchören.

Unerwartet lang brauchten die zwölf Geschworenen, um zu einem einstimmigen Urteil zu gelangen, fast volle zwei Tage. Trägt Michael Jacksons Leibarzt Conrad Murray Schuld am Tod des „King of Pop“ am 25. Juni 2009? Ihre Antwort vor dem Gericht in Los Angeles kam am Montag: Ja. Nach den Plädoyers in der vergangenen Woche hatten viele Beobachter mit einer schnellen Verurteilung gerechnet.

Im Kern ging es um die Frage, wer Jackson die starke Dosis des Betäubungsmittels Propofol verabreicht hatte, um ihm gegen seine Schlafstörungen zu helfen. War es der Arzt gewesen und hatte er seinen Patienten trotz der starken Wirkung der Substanz unbeobachtet gelassen? So begründete die Staatsanwaltschaft die Anklage wegen grob fahrlässiger Tötung. Oder hatte Jackson das Mittel selbst in seinen Körper geleitet, nachdem der Arzt den Raum verlassen hatte, wie die Verteidigung behauptete?

Nach der Vernehmung der medizinischen Sachverständigen hatten nur noch wenige geglaubt, dass der 58-jährige Murray straflos davonkommt. Zu eindeutig waren die Hinweise, dass der Arzt seiner Aufsichtspflicht nicht nachgekommen war. Selbst Zeugen der Verteidigung legten diese Bewertung nahe. Auch der Umstand, dass Murray die Möglichkeit, die Abläufe aus seiner Sicht zu schildern, am Ende nicht nutzte, trug zum Eindruck bei, für ihn sei da nichts mehr zu retten.

Knapp sechs Wochen hatte der Prozess vor dem Obersten Bezirksgericht in Los Angeles gedauert. 49 Zeugen wurden vernommen und hunderte Beweisstücke in die Verhandlungen eingeführt. Staatsanwalt David Walgren setzte emotionale Bilder ein, um die Jury zu überzeugen. Er ließ Aufnahme von der letzten Bühnenprobe des Sängers auf eine Videoleinwand projizieren sowie Bilder von Jacksons Kindern Prince, Paris und Blanket bei der Trauerfeier. Das rührte viele im Gerichtssaal zu Tränen. „Sie haben ihren Vater verloren“, deshalb nehme dieser Fall für Jacksons Kinder kein Ende, warb der Ankläger um eine Frontstellung zwischen dem Arzt auf der einen und der Familie des Popstars auf der anderen Seite.

Lesen Sie auf Seite 2, wie der sechswöchige Prozess ablief.

Der medizinische Sachverständige Steven Shafer wurde zu einer Art Kronzeuge der Anklage. Tagelang musste der Professor der Columbia-Universität New York technische Details zur Installation einer Infusion, der Regulierung der Fließgeschwindigkeit und der Verpackungen von Medikamenten erklären. Murray hatte im Gespräch mit der Polizei angegeben, er habe Jackson 25 Milligramm Propofol verabreicht. Shafer sagte dagegen, er habe eine Dosis von tausend Milligramm errechnet. Der Sachverständige vermittelte im Laufe seiner vielen Auftritte mehr und mehr den Eindruck, als obliege ihm nicht nur die fachkundige Interpretation der Abläufe, sondern als dürfe er selbst über Schuld oder Unschuld befinden. „Dr. Murray hat Dr. Murray an erste Stelle gesetzt, nicht Michael Jackson“, fasste er seine Sicht nach der Hälfte des Prozesses zusammen.

Auch ohne Shafers Parteinahme wirkten die Schilderungen der Augenzeugen, wie Murray und andere sich in Michael Jacksons letzten Stunden verhalten hatten, verheerend für den Arzt. Er habe es versäumt, die Atmung des Popstars unter der Wirkung des Propofols zu kontrollieren. Und als er ihn bewusstlos im Schlafzimmer fand und die Lebensgefahr offensichtlich war, verzögerte Murray den Anruf beim Notarzt und war offenbar auch bemüht, Spuren zu verwischen, die es offensichtlich machten, dass Propofol in einem Privathaus verabreicht worden sei, statt in einer Klinik, wie es sonst aus Sicherheitsgründen üblich sei.

Laut Staatsanwalt Walgren hat Murray 17 schwerwiegende Verstöße gegen medizinische Regeln begangen. Deshalb liege „grobe Fahrlässigkeit“ als Ursache für Jacksons Tod vor. Die Verteidigung hatte nicht bestritten, dass Murray sich Versäumnisse zurechnen lassen müsse, aber gehofft, dies werde als leichte Fahrlässigkeit durchgehen.

Am Ende erwartete Amerika mehrheitlich einen Schuldspruch. Dennoch ließen die sieben Männer und fünf Frauen der Jury sich Zeit mit der Entscheidung, nachdem Anklage und Verteidigung am Donnerstag ihre Schlussplädoyers gehalten hatten. Der Freitag verging ohne eine Nachricht von den Geschworenen. Als sie nach dem Wochenende am Montag früh erneut zusammenkamen, verstrich auch der Vormittag ohne ein Anzeichen, dass sie in absehbarer Zeit zu der erforderlichen Einstimmigkeit finden würden. Erst im Laufe des Nachmittags liefen Eilmeldungen ein, dass ein Urteilsspruch in Aussicht stehe.

Um 22 Uhr 19 europäischer Zeit am Montag öffnete der Richter den Umschlag mit dem Spruch der Jury: schuldig. Vereinzelt waren Jubelrufe zu hören, die der Richter aber unterband. Er befragte alle zwölf Geschworenen einzeln, ob dies ihr persönlicher Urteilsspruch sei. Sie bejahten nacheinander. Arzt Murray zeigte keine besondere Gefühlsregung. Es wirkte, als habe er mit diesem Ausgang gerechnet. Die Strafhöhe wird in einem getrennten Verfahren festgelegt. Nach Aussage amerikanischer Experten drohen ihm vier Jahre Gefängnis.

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