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Urteil: Lebenslange Haft für Jessicas Eltern

Die Eltern der qualvoll verhungerten Jessica sind wegen Mordes zu lebenslangen Haftstrafen verurteilt worden. Jessicas Schicksal hatte bundesweit Entsetzen hervorgerufen.

Hamburg - Die Richter am Hamburger Landgericht sprachen die 36-jährige Mutter und den 50 Jahre alten Vater am Freitag schuldig, ihre Tochter grob vernachlässigt und vorsätzlich getötet zu haben. Die völlig abgemagerte Siebenjährige war am 1. März an erbrochenem Speisebrei erstickt. Jessicas Schicksal hatte bundesweit Entsetzen hervorgerufen und eine Diskussion um die Mitverantwortung der Behörden ausgelöst.

«Die Angeklagten haben Jessica so unzureichend versorgt, dass sie sich auch nicht nur ansatzweise körperlich und seelisch altersentsprechend entwickeln konnte», sagte der Vorsitzende Richter in der Urteilsbegründung. «Die grobe Vernachlässigung war ein schleichender Prozess. Die Angeklagten erkannten dies und nahmen dies billigend hin.» Jessica hatte in einem verwahrlosten, dunklen und kalten Zimmer einer Hochhauswohnung ein kaum vorstellbares Martyrium erlitten. Nachbarn und Behörden bemerkten das Leiden des Kindes nicht.

Das Gericht folgte mit dem Strafmaß der Forderung der Staatsanwaltschaft. Die Verteidiger dagegen hatten wegen Körperverletzung mit Todesfolge und Misshandlung Schutzbefohlener höchstens 15 Jahre Haft für Jessicas Eltern beantragt. Gegen die Eltern war schon einen Tag nach Jessicas Tod Haftbefehl ergangen. Ende Juni erhob die Staatsanwaltschaft Anklage wegen Mordes.

Seit Mai beschäftigt sich die Hamburger Bürgerschaft in einem Sonderausschuss «Vernachlässigte Kinder» intensiv mit dem Thema. In der Hansestadt waren in jüngster Zeit weitere Fälle von Kindesvernachlässigung bekannt geworden. So hatte die Polizei in einer Wohnung im Stadtteil Wilhelmsburg eine Vierjährige und ihren zwei Jahre alten Bruder entdeckt, die zwischen Müllhaufen und Exkrementen leben mussten.

Derzeit müssen sich auch Mutter und Vater der kleinen Michelle wegen fahrlässiger Tötung und Verletzung der Fürsorgepflicht vor dem Landgericht verantworten. Die Zweieinhalbjährige war daheim an einem Hirnödem gestorben, weil die Eltern keine ärztliche Hilfe geholt hatten. Zudem sollen sie auch ihre weiteren fünf Kinder vernachlässigt haben. Die Staatsanwaltschaft ermittelt im Fall Michelle auch gegen drei Mitarbeiter des zuständigen Bezirksamtes. Sie haben möglicherweise von den katastrophalen Zuständen in der Familie gewusst, aber nicht rechtzeitig eingegriffen. (tso/dpa)

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