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Sie marschieren noch immer. Bewohner von Charleston, South Carolina, übten am Wochenende in historischer Kluft Szenen des Bürgerkriegs.

© Richard Ellis/Getty Images/AFP

US-Geschichte: Der ewige Süden

Als Lincoln an die Macht kam, fing der Süden an zu schießen. Vor 150 Jahren fielen die ersten Schüsse des amerikanischen Bürgerkriegs – sie hallen bis heute nach.

Mehr als tausend Amerikaner sind aus allen Teilen der USA nach Charleston gekommen, um heute die ersten Gefechte des Bürgerkriegs nachzustellen. Sie schlafen, wie ihre Vorbilder vor 150 Jahren, in einfachen Zelten aus Segeltuch. Manche haben Originaluniformen und Waffen von damals mitgebracht. Die meisten tragen Räuberzivil. Sogar Geschichtsstudenten aus Deutschland und Australien sind dabei, vermerken US-Medien stolz.

Mit dem Beschuss von Fort Sumter in der Hafeneinfahrt von Charleston begann am 12. April 1861 der Bürgerkrieg zwischen den Süd- und den Nordstaaten. An seinem Ende vier Jahre später waren 620 000 Soldaten gefallen – und die USA ein völlig verändertes Land. Der sich immer rascher industrialisierende Norden blühte auf. Der Süden litt Jahrzehnte unter der Verwüstung und den Verlusten und ist bis heute das ökonomische Schlusslicht geblieben.

Worum wurde der Krieg geführt? Schon bei dieser Frage endet das gemeinsame Geschichtsbild. Auslöser war der Streit um die Sklaverei. Der Norden hatte sie abgeschafft, für den Süden war sie angeblich unverzichtbare Grundlage der Plantagenwirtschaft. Doch bis heute vermeidet man in den USA die Darstellung, es sei in erster Linie um die Abschaffung der Sklaverei gegangen. Denn damit wäre eine Einteilung in „die Guten“ und „die Bösen“ verbunden. Das hielte das Land noch immer nicht aus. In der offiziellen Version kämpfte der Norden um die Erhaltung der Union, und der Süden um das Recht auf seine Lebensweise. Die Gedenktafeln auf den blutigen Schlachtfeldern wie Gettysburg, wo in zwei Tagen Anfang Juli 1863 mehr als 5700 Menschen starben und nahezu 45 000 verwundet wurden, vermerken, beide Seiten hätten aus ihrer Sicht für eine gerechte Sache gekämpft. Bis heute zeigen die Bewohner der Südstaaten mit Stolz die konföderierte Flagge.

Gekleidet im Antebellum-Stil nimmt eine Frau an den Feiern in Charleston teil.
Gekleidet im Antebellum-Stil nimmt eine Frau an den Feiern in Charleston teil.

© Richard Ellis/Getty Images/AFP

Fast hätten der Budgetstreit und die drohende Schließung aller Bundesbehörden das Nachstellen der Schlacht um Fort Sumter verhindert. Denn auch die Gedenkstätten, die dem National Park Service unterstehen, wären dann geschlossen geblieben. Überzeugte Südstaatler sehen darin eine Parallele: Auch 1861 wollte ihnen eine verhasste Bundesregierung in Washington vorschreiben, was sie zu tun und zu lassen haben. Mike Short, ein pensionierter Versicherungsvertreter, drohte am Freitag: „Wir haben Fort Sumter damals mit Gewalt genommen. Wir können es heute wieder tun.“ Nein, so mache das keinen Spaß, maulte Vernon Terry, ein Metallwarenbesitzer aus der Umgebung in der „New York Times“. „Wir beschießen Fort Sumter, aber es ist gar keine Besatzung drin?“ Dann kam der Budgetkompromiss. Fort Sumter darf nun mit Unionisten besetzt werden, die zum Verlieren verdammt sind.

Der Bürgerkrieg hatte sich damals lange angekündigt. Über Jahrzehnte bemühten sich beide Lager um eine prekäre Balance, um ihn zu vermeiden. Bei der Ausdehnung nach Westen und der Aufnahme neuer Staaten achtete man darauf, das politische Gleichgewicht zwischen Sklavenhalterstaaten und Staaten ohne Sklaverei beizubehalten. Sklaven, die in den Norden flohen und dort aufgegriffen wurden, gab man zurück.

1860 wurde der Republikaner Abraham Lincoln zum Präsidenten gewählt und am 4. März 1861 in sein Amt eingeführt. Seine Partei trieb damals die Abschaffung der Sklaverei voran. Die Konstellation heute, in der Konservative und Traditionalisten im Süden die Republikaner wählen, Progressive und die Nachfahren der Sklaven dagegen die Demokraten, ergab sich erst in den 1960er Jahren aus der Bürgerrechtsbewegung, der formalen Gleichstellung der Schwarzen und dem Widerstand vieler Weißer dagegen.

Lincoln war Gegner der Sklaverei, hatte aber immer wieder betont, er werde die Gesetze der Einzelstaaten achten, suche eine politische Lösung des Konflikts und werde nicht den ersten Schuss feuern. Doch die Südstaaten erklärten nach seiner Wahl einer nach dem anderen die Sezession. Vielerorts vertrieben sie die Soldaten und Bundesvertreter ohne Waffengewalt aus den Stützpunkten und Ämtern im Süden – oder die zogen von sich aus ab, weil sie keinen Nachschub mehr aus Washington erhielten. Im Frühjahr 1861 hielt die Union nur noch zwei Stützpunkte im Süden: Fort Sumter in South Carolina, das die Einfahrt zum wichtigsten Hafen der Südstaaten, Charleston, kontrolliert, und Fort Pickens in Florida nahe Pensacola.

Die Vorräte gingen zur Neige. Lincoln schickte Versorgungsschiffe und kündigte das den Gouverneuren der Südstaaten an mit der Bitte um Passage. Er werde keine Militäraktion befehlen, solange der Süden keine Stützpunkte der Union angreife. Am 12. April, 4 Uhr 30 morgens, eröffneten die Konföderierten die Kanonade auf Fort Sumter. Dessen Besatzung war nach Zahl und Munition unterlegen, abgeschnitten vom Nachschub rund 700 Kilometer tief im Feindesland und kapitulierte am dritten Tag. In den Folgewochen hielten beide Seiten patriotische Versammlungen ab, warben um Zehntausende Kriegsfreiwillige und Geld. Der Norden verhängte eine Seeblockade, die den Baumwollhandel zum Erliegen brachte und dem Süden die Haupteinnahmequelle nahm. Die erste Feldschlacht folgte im Juli. Erst im September 1862 erklärte Lincoln die Abschaffung der Sklaverei zum Kriegsziel und ordnete die Befreiung aller Sklaven an.

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