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USA: Ernten mit Michelle Obama

Die First Lady nutzt den neuen Küchengarten zur Lehrstunde über gesunde Ernährung.

Mit Kindern kann sie. Die etwa 30 Fünftklässler, die an diesem bewölkten Herbstnachmittag im Garten des Weißen Hauses auf hölzernen Grillbänken auf Michelle Obama warten, passen altersmäßig zwischen ihre beiden Töchter Malia (11) und Sasha (8). Die Hausherrin erscheint fünf Minuten vor der angesetzten Zeit in Blue Jeans, silbergrauem T-Shirt und auberginefarbener Strickjacke. „Ihr wisst, warum wir hier sind“, sagt sie und legt zwei schwarzen Mädchen die Arme um die Schultern. „Seid ihr bereit, euch die Hände schmutzig zu machen? Let’s go!“

Im Frühjahr hatte die Anlage eines Küchengartens vor dem Weißen Haus Schlagzeilen gemacht. Nun ist Erntezeit. Michelle Obama nutzt die Gelegenheit als nationale Lehrstunde über gesunde Ernährung. Zwei nahe Schulen, die überwiegend von Minderheitenkindern besucht werden, betreuen die Beete seit der Aussaat: Die Kinder von der Bancroft Elementary School sind an gelben T-Shirts zu erkennen, die Schüler von Kimball haben noch kein solches identitätsstiftendes uniformes Outfit.

„Was schätzt ihr, hat der Garten gekostet?“, fragt Michelle Obama in die Runde. „500 Dollar“, sagt einer, „700 Dollar“, meint eine andere. 200 Dollar hätten ausgereicht, um die Beete anzulegen, behauptet die First Lady – und wiederholt die Summe gleich noch einmal, als wolle sie schon jetzt alle Umstehenden zum Kopfrechnen ermuntern, wenn später gewogen wird. 740 Pfund Gemüse werden es am Ende sein. Der Anbau im eigenen Garten, lautet die Botschaft an die Nation, ist nicht nur gesünder, sondern auch billiger als Fast Food vom Hamburger-Shop.

Der stellvertretende Küchenchef Sam Kaas hatte die Kinder während der Wartezeit in Dreiergruppen aufgeteilt. Die hohe Kochmütze hat er inzwischen abgelegt, seine Schürze wird nicht lange weiß bleiben. Für die First Lady hält aufmerksames Personal neben der Grabgabel dunkle Gartenhandschuhe bereit. Ihr werden drei Latinomädchen zugeordnet. Gemeinsam machen sie sich an eine flache Holzkiste von etwa einem Meter Kantenlänge mit Süßkartoffelstauden, die auf dem Rasen vor den übrigen Beeten platziert ist. Mit Gartenscheren beseitigen Michelle Obama und die drei Mädchen das kniehohe Grün der Pflanzen, stochern dann im Erdreich der Kiste und fördern eine mehr als 20 Zentimeter lange Süßkartoffel zu Tage. „Wow, so groß!“, staunen die Hobbygärtnerinnen, deren Hosenbeine immer mehr erdbraune Flecken bekommen. Noch ein gutes Dutzend weiterer Früchte folgen. Kaum zu glauben, was auf einem Quadratmeter Erdreich von etwa dreißig Zentimeter Tiefe so alles wachsen kann, selbst wenn man die Errungenschaften der Düngemittelindustrie einrechnet.

Derweil haben sich andere Grüppchen unter Anleitung von Mitarbeitern des Weißen Hauses an die übrigen Beete gemacht. Sie füllen die bereitstehenden Körbe und Schubkarren mit Karotten, Kohl, Radieschen und Fenchel. Die First Lady inspiziert die Arbeit wie ein Feldherr bei der Heerschau. Als ein Fenchel hartnäckigen Widerstand leistet, stemmt sie den Fuß in den Boden und zieht kräftig mit, bis die Erde die Knolle freigibt.

Nach einer guten Stunde zieht die Gärtnergemeinschaft samt der Ernte zum stolzen Gruppenfoto in die Mitte des Südgartens – mit der repräsentativen Fassade des Weißen Hauses als Bildhintergrund. Für Sonntag, das wird die First Lady bereits wissen, hat die „New York Times“ eine Geschichte über Eheprobleme der Obamas angekündigt. Es ist zwar nichts Neues, dass es in der Beziehung in den Jahren 2000/2001 gekriselt hatte. Und auch das mag als Lehre für die Nation durchgehen, dass Menschen an der Spitze der Gesellschaft solche Herausforderungen ebenfalls zu bestehen haben. Aber müssen die Details jetzt wieder aufgewärmt werden?

Dagegen ist der Erntetag weit unbeschwerter. In der Vorbildrolle als Gärtnerin und Mutter, die für gesunde Ernährung wirbt, fühlt sich Michelle Obama sichtbar wohler. Das Gemüse wird an „Miriams Kitchen“ gespendet; dort werden Arme und Obdachlose versorgt. Zum Abschied bittet die First Lady die Schüler noch einmal: „Künftig esst ihr euer Gemüse aber auf?“

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