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USA: Mit der Schusswaffe zur Arbeit

Die Waffenlobby siegt immer: In den USA setzen sich immer mehr Angestellte gerichtlich gegen Verbote der Arbeitgeber durch.

In den USA tobt ein bizarrer Streit zwischen der Walt Disney Company und Angestellten, die ihre Waffen zur Arbeit bringen wollen. Doch der Rechtsdisput ist nur die Spitze des Eisbergs in einem waffenverrückten Land.

Der Ärger begann vor sechs Jahren, als eine Papierfabrik in Oklahoma Drogenspürhunde auf ihrem Gelände einsetzte. Statt Rauschgift fanden sie Schusswaffen. Angestellte hatten sie zum persönlichen Schutz in ihren Autos deponiert – und verstießen damit gegen die Richtlinie der Firma, die nicht wollte, dass Mitarbeiter mit Schusswaffen zur Arbeit kommen.

Den Klagen folgten Entlassungen, doch letztendlich obsiegte die Waffenlobby. Die Firma musste klein beigeben. Was wenig überrascht, ist doch der Besitz von Schusswaffen ein in der US-Verfassung verbrieftes Recht. Der juristische Händel in Oklahoma fand nun eine bizarre Fortsetzung, in deren Mittelpunkt eines der amerikanischsten Unternehmen überhaupt steht: Walt Disney.

Im Juni setzte auch Floridas republikanischer Gouverneur Charlie Crist seine Unterschrift unter ein Gesetz, das Waffen auf Firmengeländen erlaubt – solange diese im Kofferraum aufbewahrt werden. Ausgenommen sind Firmen, die Sicherheitsbedenken haben.

Dazu zählt sich Disney World. In den Freizeitparks halten sich tausende Familien mit Kindern auf. Nicht auszudenken, was passierte, wenn dort ein potentieller Amokläufer ganz legal seine Schusswaffen mit zur Arbeit brächte. Edwin Sotomayor, ein Wachmann, protestierte gegen das Verbot bei Disney, wurde prompt gefeuert und zog jetzt vor Gericht.

Disney ist nicht allein im Kampf für „schusswaffenfreie Zonen“. Auch in Nationalparks sind Waffen verboten. Und vor allem auf Flughäfen. Aber in Chicago ist Bürgermeister Richard Daley jetzt unter Beschuss der Waffenlobby, weil in der Stadt ein Verbot für das Mitbringen von Schusswaffen auf dem Flughafengelände gilt. Die NRA (National Rifle Association) hat bereits Klagen gegen Städte mit ähnlichen Verboten angestrengt. Das zeigt bereits Folgen: Der Bundesstaat Georgia erlaubt das Mitbringen von Waffen auf mehr und mehr öffentlichen Plätzen. Ein beunruhigender Trend angesichts verschärfter Sicherheitsvorkehrungen seit den Terrorangriffen vom 11.September 2001, meint Ben DeCosta, der Manager von Atlantas Flughafen. „Atlantas Flughafen ist mit 89,3 Millionen Passagieren der größte der Welt, und es wäre ein enormes Sicherheitsrisiko, geladene Waffen auf dem Gelände zu erlauben.“

Man stelle sich nur vor, einer Terrororganisation gelänge es, auf Flughäfen Bedienstete einzuschleusen, die ganz unbehelligt und legal ihr Waffenarsenal auf den Flughafen bringen und dort an ihre Komplizen verteilen. Die Waffenfans beeindrucken die Sicherheitsbedenken der Firmen nicht. Sie kontern mit dem Recht von Frauen, sich auf dem Weg zur Arbeit gegen Angreifer schützen zu können. Sie argumentieren, dass „road rage“ zunehme, und eine Waffe im Wagen gegen das aggressive Verhalten wütender Autofahrer schütze. In der Praxis ist jedoch oft das Gegenteil der Fall, wenn sich zwei Autofahrer um die Vorfahrt oder einen freien Parkplatz streiten und einer die Smith & Wesson aus dem Handschuhfach zieht. Und der andere dann ein halbautomatisches Gewehr aus dem Kofferraum holt. Die Waffenlobby hat seit Juni Oberwasser. Damals bekräftigte der Oberste Gerichtshof das Recht auf Schusswaffenbesitz zu Hause, versäumte doch die genaue Definition, wo dieses „zu Hause“ anfängt oder aufhört.

So ist Florida schon der neunte Bundesstaat, der seinen Unternehmen „waffenfreie-Zonen“ verbietet. Schon wollen Schulbezirke in Texas ihren Angestellten das Mitbringen von Waffen erlauben – um besser auf Schießereien vorbereitet zu sein. An der Florida Atlantic University hat sich schon eine Gruppe „Students for Concealed Carry on Campus“ gebildet, die eben dieses Recht auch für Studenten fordert.

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