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Gewalt gegen Frauen und der Protest dagegen sind auch in Indien ein Dauerthema.

© picture alliance / Money Sharma/

Vergewaltigung in Indien: Richter deutet "schwaches Nein" zu "Ja" um

Ein männlicher Richter deutet in einem indischen Vergewaltigungsfall ein „schwaches Nein“ zu einem „Ja“ um.

„Als ich die vielen #MeToo-Geschichten auf Twitter sah, kamen die ganzen ärgerlichen Erinnerungen in mir wieder hoch", erzählt die indische Schauspielerin und Politikerin Vani Tripathi Tikoo in Neu Delhi. Die 38-Jährige hatte bereits 2013 berichtet, wie vier betrunkene Männer nach einem Verkehrs-Unfall in der indischen Hauptstadt versucht hätten, sie in ihrem Auto zu vergewaltigen. Es hat nicht lange gebraucht, bis der Hollywood-Skandal um Film-Produzent Harvey Weinstein und die Kampagne von Frauen gegen ihn und andere Belästiger und Vergewaltiger Indien erreicht hat.

„Die vielen #MeToo-Posts zeigen, wie weit verbreitet sexuelle Belästigung und Nötigung ist“, erklärt Namita Bhandare, die für die Tageszeitung „Hindustan Times“ schreibt. Viele Männer seien erstaunt, dass sich so viele Frauen in Indien jetzt zu Wort gemeldet hätten. Doch Kritiker der Social-Media-Kampagne finden, dass Aufregung in der Öffentlichkeit allein nicht ausreicht. Die Einstellung der konservativen, indischen Gesellschaft müsse sich ändern, in der die Opfer sexueller Gewalt stigmatisiert würden. Ende September etwa sprach ein Gericht in New Delhi den Regisseur Mahmood Farooqui frei, der wegen Vergewaltigung angeklagt war: Das Opfer habe nicht klar genug gemacht, dass es keine Sex wolle, hieß es.

„Ein schwaches Nein von Seiten der Frau kann während einer sexuellen Handlung als ein Ja gedeutet werden“, schrieb Richter Ashutosh Kumar in der Urteilsbegründung. Die Frau des angeklagten Filmemachers sprang ihrem Ehemann bei und erklärte, die Beschuldigungen seien nichts als haltlose Lügen.

Der Tod einer Studentin löste 2012 Proteste aus

Die #MeToo-Kampagne erreicht Indien fünf Jahre nach der bestialischen Massenvergewaltigung und dem Mord an einer Studentin in einem Bus im Dezember 2012. Der Tod der Studentin hatte wochenlange Proteste im ganzen Land ausgelöst und eine große Debatte über die Sicherheit von Frauen in Indien entfacht. Seither hat die Regierung die Gesetze bei Vergewaltigung drastisch verschärft – die Tat kann nun mit dem Tode bestraft werden. Doch die Kette der brutalen Vergewaltigungsfälle reißt nicht ab. Die #MeToo-Kampagne in Indien zeigt, wie weit verbreitet sexuelle Gewalt gegen Frauen weiterhin ist und wie oft diese als „Kavaliersdelikt“ abgetan wird. Immer noch ist es für die Opfer traumatisierend, an die Öffentlichkeit zu gehen. Eine indische Schauspielerin, die kürzlich einen Kollegen bezichtigte, sie auf einer Party begrapscht und anzügliche Bemerkungen gemacht zu haben, musste sich als Schlampe bezeichnen lassen, weil der Schauspieler-Kollege verheiratet war.

Als im September ein Foto der Schauspielerin Karishma Sharma auftauchte, das die 23-Jährige in einem engen schwarzen Kleid mit einer Zigarette in der Hand zeigt, wurde sie im Netz als „schamlos“ und als „Porno-Star“ beschimpft. Die Kultur, in der die Ehre einer Frau immer noch eng mit antiquierten Moralvorstellungen verknüpft ist, ändert sich nur sehr langsam.

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