zum Hauptinhalt
Auf Deutschlands Straßen wird gestorben - jeden Tag.

© dpa

Verkehrsunfälle in Deutschland: 696.226 Tote - ein gesellschaftlicher Konsens

Die Zahl der Verkehrstoten hat in den ersten beiden Monaten des Jahres 2015 wieder zugenommen. Im Januar und Februar starben 424 Menschen auf deutschen Straßen. Rechnet man alle Fälle aus der Statistik zusammen, ergibt sich ein Bild des Grauens. Ein Kommentar.

Ein Kommentar von Lutz Haverkamp

696.226 Tote - das ist die Summe der Menschen, die seit 1950 bis Februar 2015 auf deutschen Straßen ihr Leben verloren haben. Darf man so rechnen? Man muss! Zeigt die Zahl doch die gesellschaftliche Akzeptanz eines Skandals. Eines Skandals, der sich jeden Tag wiederholt. Direkt vor unser Haustür.

Dabei - es war alles schon viel schlimmer. Im Rekordjahr 1970 kamen 19.193 Menschen im Straßenverkehr ums Leben, mehr als eine halbe Million wurden verletzt, viele davon blieben Krüppel. Bis heute ist die Zahl nahezu jedes Jahr kontinuierlich gesunken. Drastisch gesunken. Im vergangenen Jahr starben 3378 Menschen als Auto-, Rad- oder Motorradfahrer, Fußgänger.

Die Entwicklung hat mehrere Ursachen: technisch hochentwickelte Autos, moderne Sicherheitsvorkehrungen in und an den Fahrzeugen, gute Straßen, Tempobeschränkungen, Gurtpflicht, Absenkung der Promillegrenze und anderes mehr. Aber: Mehr als 3000 Tote und rund hundertmal so viele Verletzte sind immer noch so etwas wie ein gesellschaftlicher Konsens.

Knapp zehn Tote pro Tag in Deutschland, etwa 1000 Verletzte, manche von ihnen tragen schwerste Verletzungen davon. In der Regel sind das Nachrichten für die jeweilige Lokalzeitung. Bundesweite Aufmerksamkeit erreichen nur spektakuläre Unfälle mit mehreren Toten - oder die Jahresbilanz des Bundesamts für Statistik.

Was tun? Zuallererst: weniger Auto fahren, den öffentlichen Personennahverkehr massiv ausbauen, Vorrang für Schiene statt für Straßen. Die Innenstädte, wo rund zwei Drittel aller Unfälle passieren, müssen den Menschen zurückgegeben werden. Nicht die Schaffung von Parkraum, sondern die Etablierung von Fußgängerzonen, autofreien Bereichen, Rad- und Fußwegen muss Priorität haben. Das macht Innenstädte und Wohnbezirke schöner, attraktiver, lebenswerter. Es muss nicht darum gehen, das Auto und die private Autofahrt zu verbieten. Es muss darum gehen, funktionierende Alternativen anzubieten. Das beginnt mit einem verlässlichen, modernen und bequemen Nahverkehr in deutlich mehr Bereichen als das heute der Fall ist. Und das endet nicht zuletzt beim Konsumenten, der verstärkt auf regionale Produkte setzt, um einen Beitrag gegen den zunehmenden Lkw-Verkehr auf Deutschlands Straßen zu leisten.

Mobilität ist eine wichtige Errungenschaft moderner Gesellschaften. Mobilität muss aber nicht bedeuten, dass private Autofahrten in dem Maße gemacht werden, wie das aktuell der Fall ist. Funktionierende Mobilität ist ein wichtiger gesellschaftlicher Konsens, ein gemeinsames Ziel. Tausende Verkehrstote und Verletzte sollten es nicht sein.

Zur Startseite

showPaywall:
false
isSubscriber:
false
isPaid:
showPaywallPiano:
false