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Vernachlässigte Kinder: Mädchen in Bremen lebten zwischen Kot und Müll

Nur durch Zufall ist die Bremer Polizei auf zwei völlig verwahrloste Mädchen gestoßen. Das Bild war erschütternd: Die Fünf- und Achtjährigen hausten zwischen schimmelnden Essensresten und Fäkalien. Der Vater wurde vorübergehend in Gewahrsam genommen.

Der Polizei bot sich am Mittwoch ein erschütterndes Bild: In der Wohnung im sozial schwachen Bremer Stadtteil Gröpelingen liegen Fäkalien, Müll und verschimmelte Essensreste. An der Heizung ist ein Hund angekettet, der Urin und der Kot zweier Katzen und eines Hasen liegen in den Räumen. Die Polizisten holen zwei völlig verwahrloste Mädchen im Alter von fünf und acht Jahren aus der Wohnung. "Es hat gestunken, wie ich es noch nie erlebt habe. Ich konnte nicht mehr atmen", sagte eine der am Einsatz beteiligten Polizistinnen nach Angaben von Pressesprecher Dirk Siemering vom Donnerstag. Die 43 Jahre alte Mutter wirkte bei dem Einsatz der Beamten apathisch, machte einen körperlich und psychisch auffälligen Eindruck. Sie liegt im Krankenhaus.

Keine Anzeichen von Misshandlung

Wo genau die Wohnung liegt, wollten die Fahnder am Donnerstag nicht sagen. "Die Kinder sind sicher untergebracht", betont die stellvertretende Leiterin des Jugendamtes, Monika Frank. Anzeichen auf Misshandlungen gebe es derzeit nicht. Beim Kindernotdienst habe es keine aktuellen Hinweise gegeben, die Familie sei den Sozialdiensten jedoch bekanntgewesen.

Die schrecklichen Zustände, in denen die beiden Mädchen leben mussten, werden eher durch Zufall entdeckt. Bei einem Einsatz zu einem anderen Fall werden die Fahnder auf das achtjährige Mädchen aufmerksam. "Sie war sehr dünn, hatte ein stark verschmutztes Gesicht, trug eine verdreckte und nach Schimmelpilz riechende Bekleidung, die Haare waren verfilzt." Als die Polizisten sich später um das Mädchen kümmern wollen, entdecken sie in der Wohnung der Familie auch die verwahrloste Schwester und die Mutter. Den 53 Jahre alten Vater müssen die Beamten vorübergehend in Gewahrsam nehmen. Er gibt aufgeregt und aggressiv an, 14 Tage nicht in der Wohnung gewesen zu sein. Der Mann ist nach den Angaben Siemerings jedoch wieder auf freiem Fuß.

Ermittlungen gegen Jugendamt im Lea-Sophie-Fall eingestellt

Fälle von verwahrlosten Kindern sorgen in Deutschland immer wieder für Aufsehen. Erst am Mittwoch waren die Eltern der verhungerten Lea-Sophie aus Schwerin zu Haftstrafen von jeweils elf Jahren und neun Monaten verurteilt worden. Das fünfjährige Mädchen war im November 2007 nach wochenlanger Vernachlässigung verhungert und verdurstet. Die Staatsanwaltschaft hat nun die Ermittlungen gegen Mitarbeiter des Schweriner Jugendamtes eingestellt. Es gebe keine Anhaltspunkte für ein Straftat, teilte die Behörde am Donnerstag mit. Nach dem Tod des Mädchens waren bei der Staatsanwaltschaft 46 Anzeigen wegen unterlassener Hilfeleistung oder Beihilfe zu einem Tötungsdelikt eingegangen.

Der Großvater Lea-Sophies hatte sich rund ein Jahr vor deren Tod im November 2007 an das Jugendamt gewandt. Wenn das Jugendamt bei Lea-Sophies Familie zu diesem Zeitpunkt einen Hausbesuch gemacht hätte, hätte es sich laut Staatsanwaltschaft vom guten Pflege- und ausreichenden Ernährungszustand des Kindes ein Bild machen können. Es wäre nicht zu erkennen gewesen, dass die Eltern wenige Monate später ihre Tochter verhungern lassen würden. Auch die Großeltern haben laut Staatsanwaltschaft beim Jugendamt nicht beklagt, dass das Kindeswohl in Gefahr sei.

Als eine Woche vor dem Tod von Lea-Sophie ein anonymer Hinweis aus der Nachbarschaft beim Jugendamt einging, der sich auf den kleinen Bruder des Mädchens bezog, reagierte das Jugendamt sofort. Weil ein Hausbesuch fehlschlug, wurden die Eltern zum Jugendamt geladen und präsentierten einen wohlgenährten Säugling. Über den Zustand Lea-Sophies logen sie den Angaben zufolge den Sozialarbeiter an, was dieser nicht erkennen konnte. (sg/dpa)

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