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Strandgut. Das Containerschiff der "China Shipping Container Lines" kommt in der Elbe gerade nicht vom Fleck.

© Reuters

Vertiefung von Elbe und Weser: Der Megafrachter liegt auf Grund, die Debatte brodelt

Vor Hamburg ist ein Megafrachter wegen eines Defekts der Steuerungsanlage auf Grund gelaufen Die Havarie des Containerschiffs hat den Streit um die Vertiefungen der Elbe und Weser neu entfacht.

Was wäre, wenn immer größere Lastwagen gebaut würden, die irgendwann nicht mehr unter Autobahnbrücken passen? Würde der Staat dann die Brücken höher legen? Vermutlich nicht. Auf See gelten offenbar andere Regeln – nur dass es nicht um die Höhe, sondern um die Tiefe geht: Internationale Reedereien nehmen seit Jahren immer größere Containerfrachter in Betrieb, und die Meeresanrainerstaaten reagieren darauf mit Milliarden-Investitionen. Sie bauen Tiefwasserhäfen an der Küste oder vertiefen die Zugänge zu ihren Binnenlandhäfen – oder alles auf einmal.

In Deutschland sind es die Unterelbe und die Außenweser, die ständig weiter ausgebaggert werden, damit die größten Containerfrachter möglichst ungehindert Hamburg und Bremerhaven erreichen können. Nicht die Schiffe passen sich den Flüssen an, sondern die Flüsse den Schiffen, egal, wie hoch die Kosten für Steuerzahler und Umwelt sind. Als Vorteil wird dagegen angeführt, dass die Häfen international konkurrenzfähig bleiben und dadurch Wirtschaftswachstum und Arbeitsplätze gesichert werden.

Die Havarie des Megafrachters „CSCL Indian Ocean“ auf der Elbe hat jetzt den Streit über die geplante neunte Elbvertiefung weiter angefacht. Kaum war der 400-Meter-Riese auf dem Weg in den Hamburger Hafen nahe der Elbinsel Lühesand auf Grund gelaufen, meldeten sich Umweltschützer zu Wort. BUND, Nabu und WWF warnten: „Die Havariegefahr wächst mit der Größe der Schiffe.“ Daran könne auch eine weitere Flussvertiefung nichts ändern, denn: „Megaschiffe sind anfälliger für Wind und Tideströmung, das ist völlig unabhängig von der Tiefe der Fahrrinne.“

Die unter chinesischer Flagge fahrende „Indian Ocean“, eines der größten und neuesten Containerschiffe der Welt, strandete, weil die Steuerung ausgefallen war. So etwas kann überall passieren, ist aber bei großen Frachtern und engen Flüssen besonders brisant, wie die Umweltverbände warnen: „Man könnte ein Schiff dieser Größenklasse in der Elbe nicht drehen, sollte dies zur Bergung nötig sein.“ Angeblich gibt es nicht mal passende Bergungsschiffe.

Ein querliegendes Megaschiff wäre eine Katastrophe

In der Tat wäre es eine Katastrophe gewesen, wenn sich die „Indian Ocean“ quergelegt hätte. Dann hätte sie Hamburg auf unabsehbare Zeit für den internationalen Schiffsverkehr blockiert.

Aus Sicht der Umweltschützer gehören solche Riesenpötte weder in die Elbe noch in die Weser, sondern in den einzigen deutschen Container-Tiefwasserhafen, den Jade-Weser-Port (JWP) in Wilhelmshaven. Niedersachsen und Bremen haben den JWP extra für die großen Frachter bauen lassen und dafür 600 Millionen Euro ausgegeben; der Terminalbetreiber Eurogate investierte zusätzlich 350 Millionen. Doch seit seiner Eröffnung 2012 dümpelt der JWP vor sich hin. An der 1,7 Kilometer langen Kaimauer könnten eigentlich 2,7 Millionen 20-Fuß-Container (TEU) umgeschlagen werden. Aber im vergangenen Jahr waren es erst 427 000 TEU. Reeder und Speditionen nehmen den abseits gelegenen Hafen einfach nicht an.

Vielleicht ginge es dem JWP besser, wenn auch Hamburg ihn mittragen würde, statt ihn als Konkurrenz zu betrachten. „Die Havarie zeigt einmal mehr, wie dringend wir eine Kooperation der norddeutschen Häfen Hamburg, Bremerhaven und Wilhelmshaven brauchen“, findet jedenfalls Niedersachsens Wirtschaftsminister Olaf Lies (SPD). Auch er mahnt: „Ein solcher Unfall war schon länger zu befürchten, und es sind auch weitere Vorfälle dieser Art in Zukunft nicht auszuschließen.“

Doch statt sich am JWP zu beteiligen, hofft das rot-grüne Hamburg auf die neuerliche Elbvertiefung, die derzeit wegen einer BUND-Klage vorm Bundesverwaltungsgericht auf Eis liegt. Die jüngste Havarie sei „in keinster Weise“ ein Grund, den Ausbau infrage zu stellen, sagte der parteilose Wirtschaftssenator Frank Horch dem Tagesspiegel.

Horch kann gut verstehen, warum Reeder nicht den JWP nutzen, sondern die stundenlange Fahrt elbaufwärts in Kauf nehmen: 30 Prozent der Ladung seien für den Großraum Hamburg bestimmt, und der Rest könne dank des „perfektesten Bahnnetzes Europas“ gut abtransportiert werden. Nur wenn die Ladungsströme stark zunehmen sollten, würde Horch eine JWP-Beteiligung nicht mehr ausschließen.

Die „Indian Ocean“ bleibt erst mal ein Ausflugsziel für Schaulustige. Die Bergungskräfte unter Leitung des deutschen Havariekommandos begannen am Freitag, zunächst den Treibstoff abzutanken und wollen erst dann einen neuen Abschleppversuch wagen, wahrscheinlich erst in der nächsten Woche. Längeres Abwarten empfiehlt sich nicht, denn sonst sackt der Mammutfrachter mit Platz für 19 000 TEU immer mehr in den Elbschlick ein – egal ob mit oder ohne Flussvertiefung.

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