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Panorama: Vier Polizisten müssen sich für Mord an einem unbewaffneten Schwarzen verantworten

Vor einem Jahr haben 41 Schüsse Rassenkonflikte in New York entfacht - jetzt steht "die weiße Vorherrschaft vor Gericht"Thomas Burmeister Selten mussten Gerichtsmediziner für einen Prozess so viele Verletzungen innerer Organe beschreiben wie für diesen. Schüsse haben zum Beispiel die Lunge des 22-jährigen Amadou Diallo durchbohrt - ebenso seine Nieren und seine Milz, sein Rückenmark, seine Leber und sein Herz.

Vor einem Jahr haben 41 Schüsse Rassenkonflikte in New York entfacht - jetzt steht "die weiße Vorherrschaft vor Gericht"Thomas Burmeister

Selten mussten Gerichtsmediziner für einen Prozess so viele Verletzungen innerer Organe beschreiben wie für diesen. Schüsse haben zum Beispiel die Lunge des 22-jährigen Amadou Diallo durchbohrt - ebenso seine Nieren und seine Milz, sein Rückenmark, seine Leber und sein Herz. Seit Mittwoch stehen die Schützen in Albany, der Hauptstadt des US-Bundesstaates New York, vor Gericht. Den vier Polizisten, die mit ihrer Tat vor einem Jahr neuerliche Rassenunruhen entfachten, wird Totschlag vorgeworfen. Lebenslänglich ist dafür die Höchststrafe.

Allein 16 Mal hat der Polizist Sean Carroll an jenem verhängnisvollen Abend des 4. Februar 1999 geschossen, bis das Magazin seiner halbautomatischen Pistole leer war. Genauso oft drückte dessen Kollege Edward McMellon ab. Kenneth Boss schoss fünf, Richard Murphy vier Mal. 19 der 41 Schüsse trafen den unbewaffneten Diallo im schwach beleuchteten Flur seines kleinen Appartments in der Bronx.

Der Fall ist nicht einfach nur Wasser auf die Mühlen einer breit gefächerten Koalition von Kritikern, welche der New Yorker Polizei seit langem Brutalität und die häufige Missachtung elementarer Bürgerrechte vorwerfen. Die Schüsse in der Bronx haben die traditionell schwelenden Rassenkonflikte in der größten Stadt der USA wieder angefacht. Amadou Diallo war ein armer afrikanischer Einwanderer. Die Todesschützen kommen dagegen aus gutbürgerlichen weißen Familien.

"Wenn sie als freie Männer den Gerichtssaal verlassen dürfen, wird man auf die Bronx achten müssen", warnte ein Rundfunkkommentator. Dort, im "Armenhaus New Yorks", leben viel mehr Schwarze, unter oft elenden Bedingungen, als sonst wo in der andernorts glitzernden Millionen-Metropole. "In diesem Fall steht die weiße Vorherrschaft vor Gericht", behauptet Vickie Smith, Vizechefin des Komitees "Gerechtigkeit für Diallo". Seit Monaten organisiert der Verein Demonstrationen und Protestmärsche, die schon mehrfach in Gewalttätigkeiten abgeglitten sind. Auch heute noch könnten Schwarze in den USA nur so zu ihrem Recht kommen, sagen die Organisatoren. "Amadous Blut wird den Kampf um Gerechtigkeit für jedermann nähren", erklärte dessen Mutter Kadiatou Diallo. Sie war noch nicht aus Guinea angereist, da hatte sich schon der wortgewandte Schwarzenführer Reverend Al Sharpton zum Schutzherren der Familie Diallo gemacht. Das Wort "Rache" kommt ihm nicht über die Lippen. Aber dann gießt er wieder Öl ins Feuer mit Sätzen wie diesem: "Nicht einmal ein Mann, der vor einem Exekutionskommando steht, muss 41 Schüsse erwarten." In der Bronx versteht man: ein weißer Mann nicht, aber ein schwarzer.

Verteidiger wie Ankläger rechnen damit, dass die Beurteilung der hohen Anzahl der Schüsse durch die Jury entscheidend für den Ausgang des Prozesses sein könnte. Davon hängt ab, ob man den vier Polizisten glaubt, dass sie um ihr Leben fürchteten und deshalb aus allen Rohren feuerten. Eine Bewegung Diallos, sagen die Anwälte der Polizisten, habe ausgesehen, als wolle er eine Waffe gegen die Beamten richten. Hätten aber nicht zwei, drei Schüsse genügt, um ihn außer Gefecht zu setzen?

Die Verteidigung kann Gutachter wie den Ballistik-Experten und früheren Polizeioffizier James Fyfe aufrufen, der erklären würde, dass 41 Patronen aus vier Pistolen schneller verschossen sind als man zum Denken kommt. Die Staatsanwaltschaft wird dagegen den Pathologen Cyril Wright aufbieten. Der kam in einem Gutachten zu dem Ergebnis, dass die ersten Schüsse den Afrikaner in einen Fuß und ein Bein trafen und Muskeln durchtrennten, ohne die kein Mensch noch aufrecht stehen kann.

Thomas Burmeister

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