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Panorama: Vom Strich ins Parlament

Transsexueller kandidiert für Italiens Kommunisten

Einmal musste sich Vladimir Luxuria den Mund verbieten, um die sonst so spitze Zunge zu zügeln und keine Polemik zu schüren. Das war Anfang März, der 40-jährige Transsexuelle saß als Kandidat für die Kommunisten in der politischen Talk-Show „Porta a porta“, es war beste Sendezeit im italienischen Fernsehen, der Wahlkampf kochte hoch, und Duce-Enkelin Alessandra Mussolini fauchte Luxuria an: „Meglio fascista che frocio“ – lieber Faschist als Schwuchtel. „Ich habe nur geantwortet, sie sei ungehobelt“, sagt Luxuria. „Eine moderate Sprache empfinde ich als politische Tugend.“

Spätestens seit der Bildschirmdebatte kennt Italien die streitbare Kommunistin. Streitbar ist sie, weil sie so auffällig aus der Rolle fällt, wenigstens aus der, die für Parlamentarier bestimmt ist. Vladimir Luxuria bezeichnet sich als „übergeschlechtlich“, ihr Körper ist nach jahrelanger Hormoneinnahme halb männlich, halb weiblich, sie redet von sich als Frau, aber ihren männlichen Vornamen hat sie behalten. Ihr Künstlername Luxuria heißt übersetzt „Wollust“ – ein Schlag ins Gesicht katholischer Moralhüter.

Italien wird sich daran gewöhnen müssen. Sie ist der erste Transsexuelle, der nach den heutigen Wahlen ins italienische Parlament einziehen wird – in einem Land, das sich schwer tut, die Rechte Homosexueller zu verbessern. Luxuria steht für Rom auf dem ersten Listenplatz der Rifondazione Comunista – Parteichef Fausto Bertinotti hat ihr das Mandat damit geschenkt. Die Rifondazione Comunista hatte sich einst von der inzwischen umbenannten großen italienischen kommunistischen Partei getrennt, als diese immer sozialdemokratischer wurde. Die Rifondazione Comunista wird heute einige Prozente erhalten.

Der Coup ist nicht uneigennützig. Die altbackenen Kommunisten erweckten viel Medieninteresse mit ihrer schillernden Kandidatin – auch wenn sie ihre Auftritte im geschlossenen Kostüm und mit bravem Zopf absolviert. Aber so eine Biografie wie die von Luxuria, das ist unbezahlbarer Werbestoff.

Geboren 1965 als Vladimiro Guadagno im armen Puglia, fühlt sich der Teenager zu Männern wie Frauen hingezogen, er beschließt, Priester zu werden, seine Neigungen so zu bekämpfen, dann folgt die Kehrtwende, er zieht 1985 nach Rom, lebt dort die Sexualität aus und kleidet sich oft als Frau. Luxuria schreibt sich an der Universität ein, verdient den Lebensunterhalt als Prostituierte, schließt das Literatur-Studium ab, nimmt Drogen und Hormone, tritt als Drag Queen in Clubs und Filmen auf, organisiert 1994 den ersten Gay Pride in Rom, schreibt für linke Zeitungen wie „L’Unità“ und „Liberazione“ – und setzt sich öffentlich für die rechtliche Gleichstellung Homosexueller ein. Vom Straßenstrich zur Abgeordnetenbank – „wenn das keine Revolution ist“, meint Luxuria. Lange hat sich Italien um die Homo-Ehe gedrückt, nun steht das Thema weit oben. Der Kandidat des Mitte-Links-Bündnisses, Romano Prodi, thematisiert seit dem Herbst die Pacs – Zivilpakte, die zwar für alle Paare gelten sollen, die ohne Trauschein zusammenleben wollen, aber praktisch für Homosexuelle das Tor zur Gleichstellung öffnen. Papst Benedikt XVI. hat seine Ablehnung bereits kundgetan.

Vladimir Luxuria sagt: „Wer mich wählt, tut das nicht wegen dem, was ich im Bett treibe.“ Sie irrt. Gerade ihre private Geschichte macht sie in Italien zum Politikum und wird sie ins Parlament bringen.

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