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Panorama: Von der Quelle zum Durst

Der steigende Mineralwasserkonsum schadet der Umwelt – und bringt der Gesundheit nicht viel

Mineralwasser schadet der Umwelt. Jedenfalls, wenn man es aus Plastikflaschen trinkt. Das sagt das Earth Policy Institute in Washington, das jetzt eine Studie veröffentlichte, in der es sich über den weltweit wachsenden Konsum von Wasser aus Wasserflaschen beklagt.

Von 1999 bis 2004 sei der jährliche Konsum weltweit um 57 Prozent auf 154 Milliarden Liter gestiegen – auch in Ländern, in denen man genauso gut Leitungswasser trinken könne: Die Italiener tranken 2004 im Schnitt 184 Liter Mineralwasser, Franzosen und Belgier 145 Liter.

Flaschenwasser müsse – anders als Wasser aus dem Wasserhahn – abgefüllt und von der Quelle zum Durst transportiert werden, mit großem Aufwand: „Anders als Leitungswasser verbraucht der Transport über lange Distanzen riesige Mengen fossiler Brennstoffe.“ So habe die finnische Firma „North Water of Finland“ 2004 1,4 Millionen Flaschen verschifft – über 4000 Kilometer nach Saudi Arabien. Kalifornier trinken Mineralwasser von den Fidschi-Inseln. Und in Deutschland ist italienisches Wasser der derniér cri. Die Herstellung der Flaschen verbrauche ebenfalls viel Energie. Mit dem Erdöl, das dafür jährlich allein in den USA verbraucht werde, könne man 100 000 Autos ein Jahr lang betanken. Weltweit entständen jährlich 2,7 Millionen Tonnen Plastik. Und die landen beispielsweise in den USA zu fast 90 Prozent auf dem Müll.

In vielen Ländern sei es sinnvoll, Wasser nur aus Flaschen zu trinken – wegen der zweifelhaften Trinkwasserqualität. Aber in Europa und den USA habe Leitungswasser dieselbe Qualität wie Mineralwasser: „Es gibt keine Garantie, dass abgefülltes Wasser gesünder ist als Leitungswasser.“ Im Gegenteil: In Europa würde Letzteres strenger kontrolliert.

Das sieht Stefan Gebauer von der Deutschen Gesellschaft für Ernährung genauso. Deutsches Leitungswasser könne man bedenkenlos trinken: „Die Qualität ist sehr hoch und hygienisch einwandfrei.“ Ständige Kontrollen garantierten dies. Mineralwasser werde oft überschätzt: Zwar sei der Mineralstoffanteil höher – für eine richtige Ernährung zählten aber die Mineralstoffe im Essen. Gebauer: „Wir empfehlen deswegen, Leitungswasser zu trinken. Es fehlt nichts, wenn man kein Mineralwasser trinkt.“

Zumindest keine Mineralien. Doris Eberhardt vom Bund Umwelt und Naturschutz fehlt aber etwas anderes: Der Geschmack. „Das Berliner Leitungswasser schmeckt einfach nicht.“ Und sie gibt zu bedenken: Auch wenn man in Deutschland „sehr wahrscheinlich“ überall bedenkenlos Leitungswasser trinken könne, sei die Trinkwasserqualität auch von den Leitungen im jeweiligen Haus abhängig. „Es besteht die Gefahr, dass man irgendetwas aus den Leitungen mittrinkt.“

Auch Arno Dopychai vom Verband Deutscher Mineralbrunnen zieht Flaschenwasser vor. Mineral- und Leitungswasser seien grundverschiedene Produkte. Mineralwasser komme aus Quellen, die ihre unterirdische Lage vor Verschmutzung schützte. Eine „ganze Batterie“ an Untersuchungen garantiere seine Reinheit: „Mineralwasser ist ein reines Naturprodukt.“ Deswegen hielten es die Verbraucher für hochwertiger. Dass es tatsächlich gesünder ist, sagt er nicht. In Sachen Umweltschutz wird er konkreter: Die meisten der deutschen Mineralwasserflaschen seien Mehrwegflaschen. Dass Mineralwasser transportiert wird, findet er „keinen Vorwurf, sondern eine Selbstverständlichkeit“ – das Gesetz schreibe vor, es direkt an der Quelle abzufüllen. Und überhaupt: „Wenn man ganz puritanisch ist, kann man Regenwasser in der Tonne hinter dem Haus sammeln – davon kann man sich auch ernähren.“

Fabian Grabowsky

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