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Panorama: Vorgelesen: Hellmuth Karasek über Andreas Maiers Debüt "Wäldchestag"

Ein alter Mann ist gestorben, soll begraben werden und will beerbt sein. Das Dumme ist, dass das Begräbnis in dem kleinen hessischen Ort in der Wetterau auf das Pfingstfest fällt und die Testamentseröffnung nach dem boshaften letzten Willen des Toten auf den Wäldchestag - jenen dritten, inoffiziellen Pfingstfeiertag, an dem man weiter grillt, tratscht, säuft und die Zeit totschlägt.

Ein alter Mann ist gestorben, soll begraben werden und will beerbt sein. Das Dumme ist, dass das Begräbnis in dem kleinen hessischen Ort in der Wetterau auf das Pfingstfest fällt und die Testamentseröffnung nach dem boshaften letzten Willen des Toten auf den Wäldchestag - jenen dritten, inoffiziellen Pfingstfeiertag, an dem man weiter grillt, tratscht, säuft und die Zeit totschlägt. Gibt es überhaupt was zu erben? Und: Ist die Familie, sonst in alle Welt zerstreut, sich überhaupt so grün, dass sie zusammen trauern und feiern kann? Andreas Maier, 1967 in Bad Nauheim geboren, ist mit seinem Roman "Wäldchestag" ein erstaunliches Debüt gelungen. Indem er die Möchtegern-Erben sozusagen ohne Punkt und Komma brabbeln lässt, wobei sie sich zanken, die Hucke voll saufen oder sich verlieben, erstellt er das dicht gewebte Panorama einer kleinen Welt, die unsere große ist: Nachrichten aus der Provinz, in der wir alle leben. Es ist ein Bild von Generationen, wo die Jungen in die Welt hinaus wollen, in die Weite fliegen, auf die Nase fallen und zu Hause bleiben - dort, wo die Alten schon gestrandet sind. Maier hat Humor, einen skurrilen Witz, und er ist ein Philosoph, dem der Wein und die Welteinsicht den Blick öffnen, vom Engen ins Weite und zurück. Die Leidenschaft, mit der Maier den Konjunktiv liebt, erinnert an sein Vorbild Thomas Bernhard, wobei "Wäldchestag" allerdings weniger das Werk eines Misanthropen ist als das eines freundlich beteiligten Spötters.

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