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Panorama: Vorgelesen: Hellmuth Karasek über Peter Handkes Erzählung "Wunschloses Unglück"

Im Jahre 1972, als Peter Handke schon eine kurze, heftige Ruhmesstrecke als Theaterautor, Erzähler, Publikums- und Kritikbeschimpfer hinter sich hatte, erschien die Erzählung "Wunschloses Unglück", die ich nach wie vor unter Handkes inzwischen voluminös angeschwollenem Werk am höchsten schätze. 1971 hatte sich Handkes Mutter das Leben genommen, und das "Wunschlose Unglück" versucht, das Leben dieser "51-jährigen Hausfrau aus A.

Im Jahre 1972, als Peter Handke schon eine kurze, heftige Ruhmesstrecke als Theaterautor, Erzähler, Publikums- und Kritikbeschimpfer hinter sich hatte, erschien die Erzählung "Wunschloses Unglück", die ich nach wie vor unter Handkes inzwischen voluminös angeschwollenem Werk am höchsten schätze. 1971 hatte sich Handkes Mutter das Leben genommen, und das "Wunschlose Unglück" versucht, das Leben dieser "51-jährigen Hausfrau aus A. (Gemeinde G.)" zu rekonstruieren, ein Leben, das weitgehend trostlos, also sinnlos verlaufen zu sein schien, in dem die Selbsttötung der erste wirklich befreiende Akt war, und diesem Leben schreibend eine Rechtfertigung zukommen zu lassen: auch, um sich selbst über den Verlust klar zu werden. Nur so konnte Handke über ihn hinwegkommen.

Was dabei entstanden ist, wirkt objektivierend kalt und voll subjektiver Anteilnahme zugleich: Handke versucht, seine Mutter, die ein Leben lang isoliert, aber eigentlich nie individualisiert war (das Wort Individuum existierte in der bäuerlichen Grenzwelt zwischen Österreich und Kroatien nur als Schimpfwort) aus ihrer Welt herauszuheben, ihr ein Schicksal zu geben und sie in den Zeitzusammenhang (sie erlebte den "Anschluss" 1938 als Aufflackern eines Gemeinschaftsgefühls) einzuordnen - einzuordnen in eine öde Unordnung.

Seine Arbeit nennt Handke, ein empfindlich verstörter und aufgeweckter Narziss, "tätige Erinnerung" und das Leben der Mutter "selten wunschlos und irgendwie glücklich, meistens wunschlos und ein bisschen unglücklich." Ein Epitaph als Zeitgeschichte, das ein Leben in grenzenloser Subjektivität objektiviert.

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