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Panorama: Vorgelesen: Hellmuth Karasek über Tschechows "Dame mit dem Hündchen"

Er ist ihr "Kurschatten" auf der Krim, Mitte Vierzig, verheiratet, wenn auch nicht glücklich. Und er macht ihr den Hof.

Er ist ihr "Kurschatten" auf der Krim, Mitte Vierzig, verheiratet, wenn auch nicht glücklich. Und er macht ihr den Hof. Sie ist die "Dame mit dem Hündchen", allein im Urlaub in Jalta, und als er sie zum ersten Mal küsst, sagt sie: "Das war nicht gut. Sie werden der Erste sein, der mich jetzt nicht mehr achtet."

Dann, der Urlaub ist zu Ende, fährt er zurück nach Moskau, sie zurück in ihre Provinzstadt S., zu ihrem Mann. Und als der Liebhaber es nicht mehr aushalten kann, fährt er zu ihr, sieht sie, neben ihrem Mann, im Theater sitzen,und als sie sich endlich wiedersehen, sagt sie: "Wie Sie mich erschreckt haben!" Und später noch: "Sie müssen abreisen!"

Sie reist zu ihm nach Moskau, alle zwei, drei Monate. Zu ihrem Mann sagt sie, sie müsse "wegen ihres Frauenleidens" einen Professor konsultieren. Sie steigt im Hotel "Slawischer Basar" ab, die beiden sehen einander, immer wieder und sind immer wieder getrennt. Sie reden, umarmen einander, weinen, überlegen "wie sie aus dieser unerträglichen Verstrickung" herausfinden könnten.

Tschechows Meistererzählung ist ganze 21 Seiten lang, und doch ist die "Dame mit dem Hündchen" von 1899 in all ihrer Lakonik, scheinbaren Kälte und naturwissenschaftlich genauen Beobachtung einer der ergreifendsten und verzweifeltsten Liebesromane der Weltliteratur - ein Stück Moderne wie die Bilder van Goghs, eine Erzählung, in der die Zeit fast schmerzhaft vergeht, und wo das Leben wie ohnmächtig verrinnt.

Ich wüsste, außer Flaubert, keinen Autor, der wie Tschechow Reichtum und Armut unserer Gefühle besser, genauer, sparsamer und poetischer festgehalten hätte. Gorki schrieb ihm nach der Lektüre: "Weiter als Sie kann auf diesem Weg niemand gehen, niemand kann so einfach über einfache Dinge schreiben, wie Sie es können." Das gilt bis heute.

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