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Seine Fans wähnen sich im Freiheitskampf gegen die dunkle Seite der Macht. Foto: dpa

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Panorama: Vorwurf: Sex mit einer Schlafenden

Auf einem malerischen Landsitz wird Assange mit Enthüllungen über die Anklage konfrontiert

Ellingham Hall ist ein prachtvolles gregorianisches Landhaus an der Grenze zwischen den Grafschaften Suffolk und Norfolk. 240 Hektar umfasst das Anwesen. Es ist ein wahrhaft idyllischer Ort, den Julian Assange gegen sein viktorianisches Gefängnis in London eingetauscht hat, seit er auf Kaution freigelassen wurde. Der Wikileaks-Gründer ist Gast von Vaughan Smith, einem pensionierten Hauptmann der britischen Streitkräfte und ehemaligen Kriegsreporter. Seine Familie besitzt den Landsitz seit mehr als 200 Jahren. Smith hatte Assange bereits geheimen Aufenthalt in seinem Londoner Journalistentreff, dem Frontline Club, gewährt, bevor sich dieser am 7. Dezember der Polizei ausgeliefert hat. Jetzt stellt Smith ihm sein Privathaus als permanente Adresse zur Verfügung. Im umliegenden Waveney Valley befindet sich die vielbesungene und typisch englische Hügellandschaft, die mit alten Kirchen und mit Reetdach gedeckten Häusern geschmückt ist. Der Landsitz der Familie Smith liegt versteckt und privat in einem Landschaftspark direkt an einem See und kann von der Straße nicht gesehen werden.

Jeden Tag kommt Assange zum Tor des Anwesens und gibt der dort versammelten Reporterschar bereitwillig Auskunft darüber, wer seiner Meinung nach hinter seiner juristischen Verfolgung steht. Es sind die USA, präziser: die CIA, die hinter ihm her sei. Der BBC sagte er, er sei von seinen Anwälten darüber unterrichtet worden, dass es in einem geheimen Verfahren „eine US-Anklageschrift wegen Spionage gegen mich geben könnte“. Die in Schweden anhängliche Klage wegen des Vorwurfs der Vergewaltigung zweier Frauen, bezeichnete er als Schmierkampagne.

Aber was am Wochenende aus schwedischen Justizunterlagen an die Öffentlichkeit „leckte“, dürfte dem eingefleischten Gegner jedweder Heimlichtuerei wenig angenehm sein. Der „Guardian“ gab detailliert wie vorher keine andere Zeitung den Inhalt der Stockholmer Anklagen gegen den 39-jährigen Australier wieder. Das Blatt nahm auch Assanges Gegenvorwurf eines „abgekartetes Spiels“ der beiden Frauen mit angeblichen SMS-Beweisen unter die Lupe: Beide hätten ausschließlich freiwilligen Sex mit ihm gehabt und auf Geld von Medien spekuliert, ehe sie gemeinsam zur Polizei gegangen seien, sagte Assange aus. Stimmt nicht, meinte die Zeitung unter Berufung auf geheime Verhörprotokolle der Staatsanwaltschaft, zu denen man „nicht autorisierten“ Zugang bekommen habe. Demnach bot „Frau A“ ihm ihre Wohnung als Bleibe an. Und hier setzte Assange nach Aussage der Frau dann mit Hilfe seines Körpergewichts nicht erwünschten Sex durch, was als sexuelle Nötigung gewertet wird. Zudem soll er mit dem von ihr verlangten Kondom „etwas gemacht“ haben, sodass es geplatzt sei. Auch danach habe er bis zum Ende weitergemacht.

Trotz dieses Konfliktes konnte Assange dem Bericht zufolge aber weiter in der Wohnung bleiben und er war demnach sogar Mittelpunkt einer Party, zu der „Frau A“ Freunde einlud. Auf dem Fest sagte sie einer Freundin: „Es war nicht nur der schlechteste Sex, den ich je hatte, sondern auch gewaltsam.“ Zur Polizei ging sie damit nach ihren eigenen Angaben erst, nachdem sie sich mit „Frau W“ über sehr ähnliche unerwünschte Kontakte mit Assange ausgetauscht hatte. „W“ hatte als „bekennender Assange-Fan“ den berühmten Mann in ihre Wohnung mitgenommen. Dort habe es im Bett zwar eine Kontroverse über Sex mit oder ohne Kondom gegeben, aber keinen Geschlechtsverkehr, berichtet der „Guardian“. Am nächsten Morgen, so berichtete „W“ der Polizei, sei sie nach dem gemeinsamen Frühstück wieder eingeschlafen und aufgewacht, als Assange ungeschützten Sex mit ihr ausgeführt habe. Hier handelte es sich nach Auffassung der Staatsanwaltschaft um Vergewaltigung. Dass Assange dann einen HIV-Test abgelehnt haben soll, soll der entscheidende Grund für den gemeinsamen Gang von A und W zur Polizei gewesen sein, wo die Frauen sich wegen seines verweigerten HIV-Tests beraten lassen wollten. Keine der beiden zeigte ihn an. Das Ermittlungsverfahren wurde von der zuständigen Staatsanwältin in Gang gesetzt, dann eingestellt und anschließend von einer übergeordneten Staatsanwältin wieder aufgenommen. mit dpa

Ilka Wiese[London]

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