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Grand-Prix-Vorfreude in Oslo? Zumindest nach außen...

© AFP

Eurovision Song Contest: Warum die Norweger nicht gewinnen wollen

Die Gastgeber des diesjährigen Eurovision Song Contest hoffen auf das aus ihrer Sicht bestmögliche Resultat: Bloß nicht noch einmal gewinnen! Warum das so ist, weiß unser norwegischer Gastredakteur.

Wenn am kommenden Samstag die Punkte beim Eurovision Song Contest (ESC) in Oslo verteilt werden, dürften viele meiner Landsleute nervös zuschauen. Einige werden vor Aufregung die Augen schließen, andere gar nicht hinsehen können. Und mancheiner wird womöglich sogar anfangen zu beten. Doch während beispielsweise in Deutschland alle hinter Lena Meyer-Landrut stehen und ihr die Daumen für den Sieg drücken, hoffen wir Norweger inständig darauf, bloß nicht noch einmal zu gewinnen.

Und das hat seinen Grund: Im Jahr 2006 entschied sich der norwegische Fernsehsender NRK dem Beispiel Schwedens zu folgen und den nationalen Vorentscheid über mehrere Runden im ganzen Land auszutragen. Dadurch wurde der Wettbewerb deutlich populärer - auch bei den Musikern. Per Sundnes, der für das norwegische Fernsehen den Grand Prix präsentiert, konnte sogar Künstler zu einer Teilnahme bewegen, die normalerweise nicht einmal im Traum darüber nachdenken würden, beim ESC mitzumachen. So traten in diesem Jahr sogar einige berüchtigte Black-Metal-Bands bei den Vorentscheiden an, wodurch die norwegische Musik endgültig bis zur Unkenntlichkeit verstümmelt wurde (auch wenn man natürlich argumentieren kann, dass der ESC ohnehin die Hölle auf Erden ist, wozu Black Metal natürlich perfekt passt).

25 Millionen Euro Produktionskosten

Als dann im Vorjahr schließlich der Geiger Alexander Rybak den Grand Prix gewann, schien das norwegische ESC-Märchen ihr Happy End gefunden zu haben. Das Problem war nur, dass die Geschichte damit noch gar nicht zu Ende war. Denn durch Rybaks Sieg am 16. Mai 2009 war auch klar, dass Norwegen Gastgeber des nächsten Grand Prix sein würde. Und damit fingen die Probleme erst an. Denn wie soll man ein solches Großereignis bezahlen? NRK-Chef Hans-Tore Bjerkaas machte sich Gedanken und traf gleich mehrere unpopuläre Entscheidungen: So wurde die Produktion mehrerer bereits geplanter TV-Sendungen auf Eis gelegt. Dazu mussten aktuelle Shows und Serien vorläufig eingestellt werden. Doch damit immer noch nicht genug: Der Sender entschied sich schließlich sogar dazu, die erworbenen Ausstrahlungsrechte an der Fußball-WM wieder zu verkaufen - eine Maßnahme, die sogar den norwegischen Kulturminister auf den Plan rief. Der forderte daraufhin, dass die Politik künftig darüber mitentscheiden sollte, was im Fernsehen gezeigt werden müsse.

Knut Olav Åmås, Kulturredakteur der Zeitung Aftenposten, hat jüngst geschrieben, dass die Kosten von rund 25 Millionen Euro einfach zu hoch seien für einen "mittelmäßigen Musikwettbewerb mit teilweise skandalös schlechter Musik und reihenweise peinlichen Auftritten". Mit seiner Meinung steht er offenbar nicht allein, denn einer aktuellen Umfrage zufolge halten mehr als 40 Prozent der Norweger die Veranstaltung angesichts der gezeigten Darbietungen schlichtweg für zu teuer.

Glücklicherweise sind unsere Chancen auf einen erneuten Sieg eher gering. Didrik Solli-Tangens "My Heart ist Yours" erscheint sogar für den ESC als zu schwülstig. Halb im Scherz wird schon darüber spekuliert, dass NRK den nationalen Vorentscheid manipuliert habe, damit ein Sieg von vornherein ausgeschlossen sei.

Norwegen hält übrigens einen einzigartigen Rekord beim Eurovision Song Contest: Wir sind das einzige Land, dass viermal bei Finalteilnahmen null Punkte erhalten hat. Sollte das am Samstag wieder passieren, wären wir diesmal allerdings nicht am Boden zerstört.

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