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Panorama: Was für ein Sakrileg

Der Film „The Da Vinci Code“ provoziert Kirche und Opus Dei zu einer Gegenkampagne

Sie habe das Buch genossen, sagt die Expertin der katholischen Kirche, ein wunderbares Werk der Einbildungskraft. Der Historiker bekennt, er habe es kaum aus der Hand legen können, so spannend sei es gewesen – „es ist aber natürlich alles ziemlicher Unsinn“. Die beiden treten in einem Trailer auf, der eine einstündige Dokumentation des amerikansichen TV-Senders NBC ankündigt: „Jesus Decoded“ – Jesus enträtselt. Ausgestrahlt wird sie pünktlich zum Start des auf Dan Browns Bestseller „The Da Vinci Code“ („Sakrileg“) basierenden Kinofilms am 19. Mai. Angestoßen und finanziert hat das Gegenstück die Catholic Communication Campaign, ein Ableger der amerikanischen Katholischen Bischofskonferenz. Es ist nur ein kleiner Teil einer breit angelegten Kampagne, mit der das religiöse Establishment der USA zurückschlägt gegen Browns Werk, das sich bereits über 40 Millionen Mal verkaufte.

Wenn man aktuellen Umfragen glauben darf, wird es höchste Zeit. Nach einer Erhebung des christlichen Meinungsforschungsinstituts „Barna Group“ geben 53 Prozent der erwachsenen Amerikaner, die den „Da Vinci Code“ gelesen haben, an, das Buch habe zu ihrem „persönlichen spirituellen Wachsen und Verständnis“ beigetragen.

Das Problem: Viele Leser nehmen als Faktum, wo Brown Fiktion einsetzt, und erliegen so seiner in einen Krimi verwobenen Verschwörungstheorie. Zu den Behauptungen, die in den USA die größten Wellen schlagen, gehört, dass Jesus und Maria Magdalena verheiratet gewesen seien und ein Kind zeugten, dessen Ahnenlinie sich bis heute verfolgen lässt. Ein Geheimnis, sorgfältig von einer Bruderschaft über die Jahrtausende gehütet und in Browns Buch Ausgangspunkt für eine Mordserie.

Zudem entstand die Idee, dass Jesus der Sohn Gottes sei, laut „Da Vinci Code“, weil das den damaligen Herrschern politisch in den Kram passte. Und die Berichte der Apostel im Neuen Testament sind lediglich jene, die von den religiösen Meinungsführern für gut befunden wurden, alle anderen wurden von ihnen unterdrückt. „Zu sehen, dass ein globaler Bestseller behauptet, die Gläubigen hätten alles völlig falsch verstanden, ist ziemlich beunruhigend“, sagt Robert Hodgson von der „American Bible Society“, einer christlichen Vereinigung in den USA, die sich die Verbreitung der Bibel zum Ziel gesetzt hat. „Das Buch ist letztendlich eine Verhöhnung der gläubigen Menschen“, sagt er.

Erfolgsautor Brown verweigert bislang die öffentliche Diskussion darüber, was er in seinem Buch für Wahrheit hält und was für Erfindung und warum. Lediglich dem amerikanischen Dokumentationskanal „Discovery Channel“ gab er dazu ein Interview, das ebenfalls zum Kinostart ausgestrahlt wird. Auf einer Lesung in New Hampshire Anfang dieser Woche sagte Brown nur: „Lassen wir die Bibelgelehrten und die Historiker diese Schlacht ausfechten. In dem Buch geht es um große Ideen, man kann sie mögen oder man kann sie hassen.“ Neu sind sie jedenfalls nicht. So bediente sich Brown kräftig bei den britischen Kollegen Michael Baigent, Richard Leigh und Henry Lincoln und deren Buch „Holy Blood, Holy Grail“ – Heiliges Blut, heiliger Gral. Einen Plagiatsprozess in London überstand Brown nur, weil die Richter zu dem Schluss kamen, dass sich alle bei mehr oder weniger seit langem weit verbreiteten Verschwörungstheorien bedienten.

Dass Brown seinen Mörder zu einem Mitglied der katholischen Sekte Opus Dei macht, findet die wiederum gar nicht lustig. „Wir konnten nicht einfach dasitzen und auf die nächste Geißelung durch den Film warten“, sagte Opus-Dei-Sprecher Juan Manuel Mora dem US-Nachrichten Magazin „Time“, „ein Buch ist eine Sache, ein Film eine andere. Niemand von uns will einen Kampf. Aber wir schweigen auch nicht einfach“. Was „Time“ sogleich eine Titelgeschichte wert war. Darin kommt das Magazin zu dem Schluss, dass die konservativ-katholische Geheimgesellschaft zwar nicht so mafiös sei, wie Brown sie darstellt, aber auch nicht so harmlos, wie sie sich selbst gerne gibt.

Hände reiben sich, wie stets in solchen Fällen, die Hollywoodproduzenten. So viel öffentliche Kontroverse ist ihnen sehr willkommene kostenlose Werbung. Und sie lenkt von einem Umstand ab, der ihnen ein wenig Sorgen macht. Tom Hanks war beim Testpublikum als Hauptdarsteller von Browns detektivischem Professor mit Bausch und Bogen durchgefallen. Grund: Sie fanden seine ungewöhnlich lange Haarpracht widerlich. Wenigstens dafür ist Brown nun wirklich nicht verantwortlich.

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