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Wasserversorgung am Bodensee: Landwirt soll Giftanschlag verübt haben

Nach dem Giftanschlag auf die Bodensee-Wasserversorgung ist die Polizei einem tatverdächtigen Landwirt auf die Spur gekommen. Etwa 40 Beamte durchsuchten am Montag den Hof des Mannes im Raum Ravensburg.

Friedrichshafen - Die Polizei verfolgte zwar am Montag mit einer Durchsuchung bei einem Bauern auf dem Hof eine heiße Spur, eine Festnahme gab es aber nicht. Die Bodensee-Trinkwasserversorgung (BWV), die in Baden-Württemberg rund vier Millionen Menschen beliefert, gab umgehend Entwarnung: Eine Gesundheitsgefahr für die Verbraucher habe nicht bestanden. «Das Wasser war jederzeit einwandfrei», betonte BWV-Geschäftsführer Hans Mehlhorn in Friedrichshafen.

An der Wasserentnahmestelle im Bodensee bei Sipplingen waren nach Eingang eines Bekennerschreibens in der Tiefe zwei Fünf-Liter-Plastikkanister mit giftigen Pflanzenschutzmitteln gefunden worden. Aus dem am 18. Oktober bei der BWV eingegangenen anonymen Brief sei zu entnehmen, «dass es sich bei dem Autor um einen Menschen handelt, der mit sich und seiner Umwelt nicht klar kommt», sagte der Leiter der Konstanzer Staatsanwaltschaft, Otto Röding. Einen terroristischen Hintergrund schlossen die Behörden aus. Als mögliches Motiv galt ein Racheakt gegen die Justiz.

Die Polizei durchsuchte am Montag bei den Ermittlungen den Hof des Bauern im Raum Ravensburg. Ob der Verdächtige jedoch tatsächlich den Anschlag verübt hat oder damit im Zusammenhang steht, war bis zum Abend völlig unklar. «Der Tatverdacht wurde bisher weder erhärtet noch völlig ausgeschlossen», sagte ein Polizeisprecher am Abend. Auf dem Anwesen seien verschiedene Gegenstände beschlagnahmt worden. Die Auswertung der Durchsuchungsergebnisse dauere an. Der Bauer, der den Hof betreibt, soll bereits in der Vergangenheit bei Behörden damit gedroht haben, Erdreich oder Wasser zu vergiften.

Die BWV hatte eine Telefon-Hotline eingerichtet, die einen riesigen Ansturm erlebte. Die Internetseite des BWV-Zweckverbands brach zusammen. Viele der Anrufer sorgten sich um gesundheitliche Risiken für sich und ihre Kinder, sagte eine Sprecherin des Infotelefons.

Vor Dutzenden von Medienvertretern aus Deutschland, Österreich und der Schweiz teilten die Staatsanwaltschaft Konstanz und die Polizei Friedrichshafen mit, der Unbekannte habe die Tat möglicherweise als Racheakt gegen die Justiz begangen. Er habe sich ungerecht behandelt gefühlt. Für Hinweise auf den Täter sind 5000 Euro Belohnung ausgesetzt.

Mehlhorn betonte, dass die im Wasser gefundenen Substanzen, beispielsweise Atrazin, die Grenzwerte «auch nicht annähernd erreicht» hätten. Beim Atrazin betrage der Grenzwert 0,1 Mikrogramm pro Liter, für die Summe aller Pestizide 0,5 Mikrogramm je Liter. «Die Gesundheit könnte nur dann Schaden nehmen, wenn ein Mensch am Tag 50 Kubikmeter Wasser mit Grenzwertkonzentration trinkt», erläuterte Mehlhorn. Der Genuss von so viel Wasser an sich dürfte aber schon gesundheitsgefährdend sein, meinte er. Auch der Verzehr von Bodenseefisch sei jederzeit unbedenklich gewesen.

Die BWV verfügt in ihrer Aufbereitungsanlage auf dem Sipplinger Berg auch über eine Fischtestanlage. Die Tiere hätten sofort Hinweise auf eine größere Kontamination gegeben, sagte Mehlhorn.

Der Trinkwasser-Toxikologe Hermann Dieter vom Umweltbundesamt meinte, für einen Anschlag sei Atrazin wenig geeignet, weil es als Herbizid kein starkes Gift für den Menschen sei. Generell lasse sich ein solch großes Trinkwasserreservoir kaum vergiften, meinte der Experte. Entsprechend giftig seien nur chemische Kampfstoffe.

Die Behälter, bei denen der Schraubverschluss fehlte, lagen in rund 60 Meter Tiefe nahe der Ansaugstation des Trinkwassers. Spezialtaucher hatten die Behälter am vergangenen Mittwoch geborgen.

Aus ermittlungstaktischen Gründen hatte die Polizei die Öffentlichkeit zunächst nicht über den Fall informiert. «Wir wollten die Bevölkerung nicht beunruhigen und erst den Täter überführen», sagte der Landrat des Bodenseekreises, Siegfried Tann. «Ein solcher Anschlagversuch ist ein Novum und für uns zunächst gar nicht vorstellbar gewesen», meinte er.

Die Ermittler gehen davon aus, dass der Täter die Behälter aus einem Boot über Bord geworfen hat. Der Ansaugturm liegt etwa 300 Meter vom Ufer entfernt und ist an der Wasseroberfläche mit Bojen gekennzeichnet.

Solange kein Täter einwandfrei überführt ist, wird nach Polizeiangaben auf dem Bodenseegrund an der Wasser-Entnahmestelle vorsorglich nach weiteren Kanistern mit giftigen Substanzen gesucht. (tso/dpa)

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