zum Hauptinhalt
Bethlehem

© dpa

Weihnachten: Bethlehem leuchtet

Die Stadt in der Jesus geboren wurde hat sich herausgeputzt. 30.000 Besucher aus aller Welt sind angereist, um in der Geburtsstadt die Heilige Nacht zu feiern.

Bethlehems Bürgermeister ist glücklich. Von dem Balkon vor seinem Büro schaut Victor Batarseh direkt auf die Geburtskirche – die Hauptattraktion der Stadt und einer der bedeutendsten Orte des Christentums. 30 000 Besucher aus aller Welt sind über die Weihnachtstage angereist, „das beste Jahr seit langem“, sagt er. Neben Spaniern, Italienern und Deutschen ziehen inzwischen auffallend viele Pilger aus Osteuropa durch die Gassen – Polen, Rumänen und auch Russen. Eine 27-köpfige Gruppe amerikanischer Theologiestudenten aus Illinois, der politischen Heimat von Barack Obama, hat sich sogar für vier Wochen in einem der Klöster eingemietet, „um auch mal die palästinensische Seite der Realität kennenzulernen“, wie sie sagen. „Alle 5000 Hotelbetten sind belegt“, freut sich Batarseh, während sein Blick prüfend über den Manger-Platz vor der Geburtskirche streift. Der Bürgermeister ist Christ, wie 40 Prozent der 32 000 Einwohner Bethlehems.

Seine Stadt, in der nach dem Zeugnis der Bibel Jesus in einem Stall zur Welt gekommen ist, hat sich herausgeputzt. An einem mächtigen Tannenbaum funkeln rote Lichterketten. Nachts leuchtet ein großer Stern mit Schweif über dem Platz vor der berühmten Basilika. In manchen Schaufenstern hängen Tannenzweige aus Plastik und rote-weiße Weihnachtsmänner aus China. Heiligabend beginnt in Bethlehem bereits am Nachmittag. In feierlicher Prozession geleiten hunderte palästinensischer Pfadfinder in beigen Uniformen mit roten Halstüchern den aus Jerusalem kommenden katholischen Patriarchen Fouad Twal von der Stadtgrenze zur Kirche. Chöre aus fünf Ländern – der größte aus Spanien mit 186 Teilnehmern – singen bis in den späten Abend unter freiem Himmel Weihnachtslieder. Zu der dreistündigen Mitternachtsmesse reist wie jedes Jahr auch der muslimische Präsident Mahmud Abbas aus Ramallah an und mit ihm das halbe Kabinett. „Abbas bleibt meist nur eine Stunde, das reicht ihm“, schmunzelt Batarseh.

Nach acht Jahren Intifada ist verhaltener Optimismus in die Geburtsstadt Jesu zurückgekehrt. Insgesamt 1,2 Millionen Touristen waren 2008 hier, doppelt so viele wie im Jahr zuvor. Die Arbeitslosigkeit, lange bei 50 Prozent, hat sich halbiert. Auch ein weiterer Papstbesuch nach der Visite von Johannes Paul II. im März 2000 sei nun „zu hundert Prozent sicher“, heißt es bei den Stadtvätern. „Der Heilige Vater möchte mit uns und für uns beten, und er will sich Wissen aus erster Hand verschaffen über die harten Lebensbedingungen unserer Region”, schrieb Patriarch Fouad Twal am Dienstag in seiner Weihnachtsbotschaft. Das genaue Besuchsprogramm des Papstes wird erst im Februar abgestimmt, Bethlehem jedoch ist zusammen mit Nazareth und Jerusalem auf jeden Fall dabei. Allein die italienische Zeitung „Il Foglio“ hat bisher konkrete Daten genannt. Danach wird Benedikt XVI. vom 8. bis 15. Mai 2009 Jordanien und das Heilige Land besuchen – was ein breites Lächeln auf das Gesicht von Louis S. Michel zaubert. Zusammen mit seiner Frau hat er gerade ein neues Andenkengeschäft in der Sternstraße eingerichtet. In seiner Auslage reihen sich die Jesuskinder aus Plastik wie in einer Neugeborenenstation. „Wir haben schon mit den Vorbereitungen begonnen“, sagt er, während er an seinen frisch arrangierten Beständen aus Olivenholzkrippen herumzupft. „Der Papstbesuch wird allen zeigen, wie friedlich und gastfreundlich wir sind.“

„Touristen sind nicht nur eine Einnahmequelle. Sie sind für uns Palästinenser auch eine Brücke zur Außenwelt“, sagt Tourismusministerin Khouloud Daibes. Die gelernte Architektin stammt aus Bethlehem und hat in Deutschland studiert. Verlassen können die Menschen ihre zwei mal zwei Kilometer große Kommune praktisch nicht. Wer in das nahe Jerusalem fahren will, braucht eine Spezialerlaubnis der israelischen Behörden, die selten bewilligt wird. „Der Mauerbau geht weiter, die jüdischen Siedlungen wachsen wie Geschwüre und lassen nichts mehr übrig, wohin Bethlehem sich noch ausweiten kann“, sagt der evangelische Pfarrer Mitri Raheb. Keiner der Checkpoints sei bisher abgebaut worden, immer mehr Straßen in der Westbank ausschließlich für jüdische Siedler reserviert. „Wir leben inzwischen in einem voll entwickelten Apartheidsystem“, erläutert der Theologe, dessen Gemeinde Partnerschaften mit Kirchen in den USA, Deutschland und Dänemark hat.

Die streckenweise zehn Meter hohe Betonmauer schlängelt sich wie ein grauer Bandwurm durch die karg-grüne Landschaft. Für Ministerin Khouloud Daibes ist sie „eine monströse Barriere, die den Touristen Angst macht und sie davon abhält, in den palästinensischen Gebieten zu übernachten“. Abgesehen von Weihnachten und Ostern bleiben die meisten Besucher in Bethlehem durchschnittlich nur zwei Stunden – sie gehen in die Geburtskirche, besuchen ein, zwei Souvenirläden und fahren wieder. „Von den Gesamteinnahmen des Tourismus im Heiligen Land bleiben zwei Prozent in den palästinensischen Gebieten, 98 Prozent in Israel“, erläutert die Politikerin.

„Wir sehen die Leute nur von weitem“, sagt Hatem Ali, der das Restaurant Al Sufra in der Hauptmarktstraße kürzlich von seinem Vater übernommen hat. „Die Stadt ist voll, aber wir verdienen nichts.“ George Baboul dagegen ist zufrieden. Seit 1962 besitzt er den „Bethlehem Star Store“, endlich läuft das Geschäft mit Jesusfiguren, Holzkreuzen und geschnitzten Krippen wieder. Vier seiner fünf erwachsenen Kinder leben im Ausland, nur der Jüngste ist geblieben. Nebenan in der kleinen Holzwerkstatt sitzen drei Arbeiter in Bergen von Sägemehl und stellen wie am Fließband Rosenkränze her. Ans Auswandern hat der 74-Jährige nie gedacht – auch nicht, als während der Zweiten Intifada jeden Tag geschossen wurde, sogar auf die Geburtskirche. Für 2009 hat George Baboul nur einen Wunsch: „Ich hoffe, es gibt endlich Frieden.“

Zur Startseite

showPaywall:
false
isSubscriber:
false
isPaid:
showPaywallPiano:
false