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Weißeritztalbahn: Alte Liebe rostet nicht

Die Weißeritztalbahn fährt wieder ins Osterzgebirge – sechs Jahre nach dem Jahrhunderthochwasser

Halb Dresden und das ganze Osterzgebirge schienen sich am Samstag auf den Weg entlang des kleinen Flusses Weißeritz gemacht zu haben. Wie bei einer organisierten Menschenkette standen die Menschen schon am Morgen dicht an dicht auf Straßen, Wanderwegen und kleinen Felsen. Ihr Objekt der Begierde näherte sich in den Mittagsstunden mit lauten Pfiffen und reichlich Dampf: die Weißeritztalbahn.

Die Bahn gilt als dienstälteste Schmalspurstrecke Deutschlands, denn schließlich schlängelten sich Personen- und Güterzüge zwischen Freital-Hainsberg am Dresdner Stadtrand bis zum 26 Kilometer entfernten Kurort Kipsdorf kurz vor der Grenze zu Tschechien schon 1882 durch eine zauberhafte Landschaft. Doch das Jahrhunderthochwasser 2002 hatte fast sämtliche Schienen weggerissen und die meisten Bahnhöfe zerstört. Nun fahren nach sechsjähriger Pause wieder täglich sechs Zugpaare auf dem 15 Kilometer langen Abschnitt nach Dippoldiswalde. „Die restlichen elf Kilometer schaffen wir auch noch“, versicherte Sachsens Ministerpräsident Stanislaw Tillich unter dem Jubel Tausender Schaulustiger an der Station Rabenauer Grund.

Die große Begeisterung der Sachsen ausgerechnet für diese kleine Bahn liegt vor allem an der Erinnerung an das Hochwasser in den Augusttagen im Jahr 2002. Nach außergewöhnlich heftigen Niederschlägen war die heute so friedlich dahinfließende Weißeritz zu einem reißenden Fluss angestiegen. Dieser spülte auf seinem Weg zur Mündung in die Elbe im Dresdner Stadtzentrum fast sämtliche Schienen und die meisten Stationen weg. Selbst der Hauptbahnhof der sächsischen Landeshauptstadt, der sich im alten Flussbett der später verlegten Weißeritz befand, stand damals meterhoch unter Wasser. Einen Tag später traf die Hochwasserwelle der Elbe aus Böhmen das Dresdner Zentrum.

Doch während heute fast nirgendwo mehr Hinweise auf die damalige Katastrophe zu finden sind, stand ein Wiederaufbau der bei Touristen so beliebten Weißeritztalbahn lange Zeit in den Sternen. Die Deutsche Bahn als Eigentümer der Strecke zog sich völlig zurück und konzentrierte sich auf die großen Verbindungen. Aber da hatte sie die Rechnung „ohne den Willen der Sachsen gemacht, auch ungewöhnliche Dinge zu schaffen“, wie Ex-Ministerpräsident Kurt Biedenkopf bei der Streckeneröffnung seine Landsleute lobte.

Tatsächlich sammelte eine rührige Interessengemeinschaft gleich nach dem Hochwasser in ganz Deutschland Spenden für eine Restaurierung ihrer kleinen Bahn. „Sie organisierte Sonderfahrten auf kurzen Teilabschnitten, damit die Strecke nicht in Vergessenheit geriet“, erinnerte sich Roland Richter, der Geschäftsführer der Sächsischen Dampfeisenbahngesellschaft, die den Wiederaufbau schließlich organisierte. Von den bislang ausgegebenen 18 Millionen Euro steuerte der Bund allein zehn Millionen bei. „Das gelang nur, weil im Bundesverkehrsministerium auch Leute arbeiten, die jenseits der ICE-Politik denken“, meinte Ministerpräsident Tillich. „Mir wurde heute richtig warm ums Herz, als ich die vielen Menschen an der Strecke sah.“ Erst jetzt werde für viele von ihnen die Bewältigung der Hochwasserkatastrophe abgeschlossen.

Mit dem für den Wiederaufbau bereitgestellten Geld, das zum Teil der Landkreis Sächsische Schweiz-Osterzgebirge und Anrainerkommunen aufbrachten, wurde der Großteil der 24 Brücken instand gesetzt; drei Flussübergänge wurden neu gebaut und Stützmauern auf vier Kilometer Länge errichtet. Wie wichtig die Bahn für den Tourismus im derzeit tief verschneiten Osterzgebirge ist, belegte der zuständige Landrat Michael Geisler: „Jede dritte Anfrage von außerhalb drehte sich in den vergangenen Jahren um den Wiederaufbau der Bahn“, sagte er. „Nun müssen wir möglichst deutschland- und weltweit für unsere Attraktion werben.“

Das dürfte nicht schwer fallen. Denn mit der Lößnitzgrundbahn zwischen Radebeul, Moritzburg und Radeburg im Norden von Dresden sowie der Fichtelbergbahn zwischen Cranzahl und Oberwiesenthal finden Eisenbahnenthusiasten gleich weitere zwei Schmalspurstrecken mit regulärem Dampfbetrieb in der Nähe. „Diese gehören einfach zu Sachsen“, hieß es immer wieder von den Menschen an der Strecke.

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