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Panorama: Wenn jetzt die Kinder fragen

Was Eltern zu dem Verbrechen sagen können – eine Expertin gibt ihnen Rat

Wie erklärt man Kindern die ungeheuerlichen Vorgänge, die sich im österreichischen Amstetten zugetragen haben? Wenn das albtraumhafte Szenario schon das eigene Vorstellungsvermögen weit überschreitet? Kann man Kindern das überhaupt erklären? Man muss, sagt Isabella Heuser, Direktorin der Klinik für Psychiatrie und Psychotherapie an der Charité Berlin. Allerdings nur, wenn die Kinder danach fragen. „Auf keinen Fall sollten die Eltern so ein Thema prophylaktisch ansprechen“, sagt sie. Viele Kinder – vor allem die Jüngeren – würden von der Diskussion von sich aus gar nichts mitbekommen. „Und dabei sollten es Eltern dann auch belassen.“ Wenn Eltern aber merken, dass sich das Kind mit dem Thema beschäftigt, müssen sie das Thema ansprechen. „Sag mal, wie findest du das denn?“ Und: „Bin ich froh, dass die Kinder jetzt in Sicherheit sind.“ Das wäre ein guter Einstieg, sagt Heuser. Die Eltern geben ihren Kindern so die Möglichkeit, eigene Fragen zu stellen. Worüber Eltern dann genau mit ihren Kindern reden sollten, hängt vom Alter der Kinder ab. Zur Orientierung unterscheidet Heuser zwei Altersgruppen: die Vier- bis Achtjährigen und die Neun- bis Vierzehnjährigen. „Die ganz Kleinen sollten darüber aufgeklärt werden, dass es böse Menschen gibt – aber nur ganz wenige.“ Außerdem sollten die Eltern betonen, dass die Opfer nun in Sicherheit seien und beschützt würden. Das Thema Inzest sollte man meiden. Die Kleinen würden dazu vermutlich ohnehin keine Fragen stellen. Sie seien eher an den Opfern interessiert – und wundern sich, dass es Kinder gibt, die nie draußen spielen durften, nie ins Schwimmbad gehen konnten und weder Computerspiele noch Skateboards hatten.

Die älteren Kinder werden dann sicher auch nach dem Inzestverbot fragen, sagt Heuser. Und das müsse man ihnen dann auch erklären. Und da das Verbot vor allem medizinisch begründet wird, sollten Eltern sachlich erklären, dass Kinder von Verwandten ein erhöhtes Risiko haben, krank zu werden, falls in der Familie ein schlechtes Gen vorhanden ist. „Und man muss zwar immer darauf hinweisen, dass Inzest zwar etwas Schlimmes ist und in fast allen Kulturen verboten ist“, sagt Heuser, „aber auch, dass es wichtig ist, den Betroffenen zu helfen.“

Negative Reaktionen auf derartige Schilderungen vermutet die Psychiaterin nur bei Kindern aus instabilen und ungünstigen Verhältnissen; bei Kindern, die selber Probleme mit ihren Eltern haben. „Wenn ein Kind eine enge Bindung zu seinen Eltern hat, übersteigt so ein Fall den Kinderhorizont“, meint Heuser. „Aber Kinder, die ohne warme, gesicherte Beziehung zu ihren Eltern aufwachsen, sind grundsätzlich beeindruckbarer als Kinder aus gesicherten Verhältnissen“, erklärt sie. Dabei seien sie prinzipiell für alles empfänglich, was auch Erwachsenen Angst macht.

Mathias Stamm

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