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Panorama: Wenn sie singt, werden alle still

Erst im Gospelchor, dann auf Tour in den USA: Zascha Moktan gilt als neue deutsche Soul-Hoffnung

Berlin - Mit grünrosa Irokesenfrisur steht ein 14-jähriges Mädchen vor seiner Schulklasse. Weil sie immer den Schulchor schwänze, solle sie nun „Yesterday“ von den Beatles singen, so will es Herr Ruppert, der Musiklehrer. Die Schulklasse grölt, das Punkmädchen hat Gummiknie. Doch dann singt Zascha Moktan, und alle werden still. Musiklehrer Ruppert habe feuchte Augen bekommen, so erinnert sich die heute 26-Jährige. Fortan sang die Schülerin in einem Gospelchor.

Zehn Jahre nach ihrer Gesangseinlage vor der Schulklasse liegt Zascha Moktan in ihrer Hamburger Wohnung auf dem Sofa und guckt „Sex and the City“, als das Telefon klingelt und ihr Manager sagt: „Du fliegst morgen früh nach Miami und gehst mit Alicia Keys auf Tour.“

In Deutschland hatten ihr die Plattenfirmen bis dahin gesagt, ihre Musik wäre zu amerikanisch. Also probierte es die gelernte Friseurin eben in Amerika – und stand prompt im Rahmen der Tour des amerikanischen Soulstars Keys im Vorprogramm von Soul- und Hip-Hop-Größen wie Kanye West, Usher oder John Legend auf der Bühne. Zurück in Hamburg, wurde sie von dem Geigenvirtuosen Nigel Kennedy entdeckt, der ihr prophezeite: „Du wirst ein Star!“. Auch die deutschen Plattenfirmen wollten sie nun, Universal Music nahm Moktan unter Vertrag, ihre Debüt-Single „Ouch – Remember me“ rotiert auf allen Clipkanälen, der Radiosender „1Live“ nominierte die deutsche Soul-Hoffnung als „beste Newcomerin 2007“. Das Debüt-Album „The Bottom Line“ erscheint im Februar 2008.

Bei ihrem „Live-Demo“-Auftritt vor drei Wochen, einer Soul- und HipHop-Veranstaltung in Berlin, kam Moktan barfuß, ganz in Schwarz und erinnerte mit ihrer kräftigen Stimme an eine Mischung aus Whitney Houston, der jungen Chaka Khan und eben Alicia Keys. Der Soul-Größe hat Zascha Moktan einiges zu verdanken: Nachdem Alicia Keys auf einer DVD Auftritte der Newcomerin gesehen hatte, engagierte sie die junge Sängerin. Mit nichts als ihrem Klavier und einem Gitarristen spielte Moktan dann in Stadien vor bis zu 30 000 Menschen, ohne einen Plattenvertrag in der Tasche zu haben. Der aber sollte bald kommen, von einem großen amerikanischen Musikunternehmen. Zascha Moktan lehnte ab. „Amerikanische Plattenverträge wären in Deutschland sittenwidrig“, sagt sie. Zehn Jahre wäre sie an das große Musiklabel gebunden gewesen. Außerdem schreibt sie ihre Lieder selbst – und das soll auch so bleiben.

Das Vertrauen in die eigenen Fähigkeiten habe sie von ihrer Mutter, berichtet die junge Sängerin. Mutter Dagmar Moktan wohnt auf der Kanareninsel La Gomera und hat dort einen Bioladen. Die Mutter, ein Freigeist, habe sie immer an der langen Leine gelassen. „Manchmal zu sehr“, sagt Zascha Moktan heute.

Vor knapp 30 Jahren wollte Zascha Moktans Mutter eigentlich nur vier Wochen Urlaub in Indien machen. Doch dann lernte sie in einer Hotelbar Gautama kennen, der mit seiner Band auf der Bühne stand. 1981 bekam sie ihre Tochter Zascha in Neu-Delhi. An ihre Zeit in Indien erinnert sich Zascha Moktan so: Die Mutter verkaufte Käse auf dem Markt, der Vater arbeitete als Lehrer. Als das Mädchen sechs Jahre alt war, zog die Familie nach Deutschland, ins hessische Ostheim. Der Vater Gautama ging nach einem Jahr wieder zurück.

Das Englische sei ihr näher als die deutsche Sprache, sagt die junge Frau, die zweisprachig aufwuchs. Während sie darüber räsoniert, dass das Englische im Vergleich die mehrdeutigere Sprache ist, erinnert sie sich an den letzten Auftritt der Alicia-Keys-Tour in New York. Die Mutter war auch da. Ihr zerfloss das Augen-Make-up, als die Tochter das Lied „Mama“ am Flügel spielte. An das Punkmädchen aus der neunten Klasse, das Zascha Moktan einmal war, erinnert heute nichts mehr. Bis auf die Gummiknie. Die werden wohl immer bleiben.

Yoko Rückerl

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