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Wer war's?: Das biographische Osterrätsel

Zehn Personen gilt es anhand ihrer Lebensläufe zu erraten. Männer und Frauen in unterschiedlichen Epochen waren es, die eins einte: Sie machen im Ausland Karriere. Wer die richtigen Lösungen findet, kann mit Glück eins von 30 Büchern gewinnen. Viel Erfolg!

Es gibt zahlreiche Gründe, warum Menschen ihre Heimat verlassen: Manche versprechen sich im Ausland neue Möglichkeiten, andere treibt die Not fort. Zufall und Neugier können eine Rolle spielen, auch die Liebe hat schon manchen entwurzelt.

Am Ende steht die Frage: Wozu war es gut?

Jene zehn Personen, die zu erraten sind, wurden erst in der Fremde zu hochgeschätzten Persönlichkeiten. Alle haben sie Ungewöhnliches geleistet und sind dafür geehrt worden: in ihrer Wahlheimat ebenso wie in jenen Ländern, aus denen sie einst fortgegangen waren. Bitte schicken Sie Ihre Lösungen auf einer Postkarte an: Der Tagesspiegel, Redaktion Sonderthemen, Kennwort: Osterrätsel, 10491 Berlin. Die Namen derer, die richtig geraten haben, werden veröffentlicht – vorausgesetzt, die Mails, Briefe und Karten enthalten deutlich lesbare Absender. Wer die richtigen Lösungen fand, kann mit Glück eins von 30 Büchern gewinnen. Einsendeschluss ist der 23. April (Poststempel). Sie können Ihre Lösungen auch per E-Mail schicken: osterraetsel@tagesspiegel.de

Als Diplomat in fremden Diensten

Es hätte ein bedeutend langweiligeres Leben werden können. Denn eigentlich soll er evangelischer Pfarrer werden, wie der Vater. Klosterschule, Tübinger Stift, Vikar – die Karriere ist vorgezeichnet. Wohl zu sehr. Denn er wandert aus und verdingt sich als Hauslehrer. So kommt er nach Frankreich, gerade rechtzeitig, um ein Stück Weltgeschichte hautnah mitzuerleben, über die er im heimischen Remstal allenfalls etwas zu lesen bekommen hätte. In Bordeaux erlebt der Verehrer der französischen Aufklärungsphilosophie die beginnende Revolution und lernt führende Köpfe der Girondisten kennen. 1791 reist er nach Paris, verkehrt mit Leuten wie Condorcet, Talleyrand und Sieyès. Schon bald steht unser schwäbischer Theologe im diplomatischen Dienst Frankreichs (sein erwähltes Vaterland, wie er einmal schreibt). In diesem Dienst bleibt er 40 Jahre, über alle Regimewechsel hinweg. Meist weit weg von Paris. Die Stationen: London, Neapel, Florenz, Hamburg, Bern, Kassel (von Napoleon dorthin geschickt, ins vorübergehende Königreich Westfalen, um dem Bruder Jerome auf die Finger zu schauen). Später dient er in Frankfurt am Main, am Ende in Dresden. Für einige Monate ist er sogar Außenminister der Republik. Nach der Restauration machen die Bourbonen ihn dennoch zum Grafen. Dem Ehrenlegionär Goethe ist er ein dankbarer Briefpartner – ihn kennt man in Deutschland eher als den französischen Diplomaten. Begraben wird er auf dem Pariser Friedhof Montmartre.

Eine Frau, die Nachhilfe gab

Gut gebildet ist die älteste Tochter von insgesamt zwölf Kindern und hübsch dazu, eine Vorzeigetochter. Und als ihr Vater vor dem finanziellen Ruin steht, tut sie zum Wohle der Familie, was von ihr verlangt wird: Sie heiratet einen reichen Adligen. 19 Jahre alt ist sie, als die Ringe getauscht werden. Ein Jahr später verlässt sie ihren gewalttätigen Ehemann und reicht die Scheidung ein. Das passt nicht in die Zeit, auch wenn es rechtlich seit einigen Jahrzehnten möglich ist. Sie erkennt, „daß die Lage der Frau eine absurde und der Entwürdigung der Menschheit gleichbedeutend“ sei. Sie schreibt dagegen an und sympathisiert mit der Arbeiterbewegung, schon bevor sie Marx und Engels kennenlernt. Hohn und Spott erntet das „Mannweib“, sogar von Geschlechtsgenossinnen, die sie doch eigentlich unterstützen müssten. Als „Amazone der Revolution“ wird die ambitionierte Reiterin von Clara Zetkin geschmäht. Die Gesuchte hat erneut geheiratet. Als ihr zweiter Mann in Deutschland nach den Reichsverfassungskämpfen keine Zukunft mehr hat, flieht sie mit ihm ins Ausland. Und bleibt sich dort treu. Ist auch dort eine Unbequeme, die eine gerechtere Welt fordert. Sie, die einst auch Gedichte schrieb und zum Freundeskreis von Annette von Droste-Hülshoff gehörte, wettert gegen Nationalismus und die Macht der Kirche. Ihr Hauptanliegen aber bleibt der Kampf gegen die Ungleichheit der Geschlechter. In ihrer Wahlheimat erhält sie dafür einen Ehrenplatz in der Geschichte. Deutschen Boden wird sie nie mehr betreten.

Ein Musikerliebte viele Effekte

Er ist der Spross einer der einflussreichsten Familien Berlins, der Vater verdient sein Geld als Zuckerproduzent und Bankier, seine Mutter empfängt in ihrem vornehmen Salon die Geistesgrößen der Zeit. Die Eltern fördern die musische Neigung des Sohnes, engagieren die besten Lehrer, lassen gar den Bühnenerstling des 19-Jährigen an der preußischen Hofoper uraufführen. Doch den jungen Tonsetzer zieht es südwärts. Jenseits der Alpen lernt er, wie man Arien macht – und passt seinen Vornamen auch gleich der dort üblichen Schreibweise an. Vor Paris aus revolutioniert er schließlich die Theaterwelt: Seine Stücke sind die größten, prächtigsten, aufwendigsten, einer seiner Fünfakter wird die meistgespielte Oper des 19. Jahrhunderts. Als Erster verwendet er elektrisches Licht auf der Bühne, simuliert Ballettszenen auf dem Eis, bei denen im Hintergrund Kinder und im Vordergrund Erwachsene durch die Szenerie gleiten, um den Tiefeneffekt noch zu steigern. Die Welt staunt – und der König lockt den Erfolgsverwöhnten zurück nach Berlin. Im piefigen Preußen wird der Weltbürger allerdings nicht wieder richtig heimisch, er geht zurück nach Paris, wo er bis in sein 74. Lebensjahr die Musiktheaterszene beherrscht. Ein anderer deutscher Musikdramatiker verdankt dem Gesuchten viel – und hetzte dennoch geifernd gegen den Kollegen.

Schulden waren ihr ein Gräuel

Sie folgt ihrem Mann ins Exil, in drei Länder, denn in Deutschland ist der Gatte ungelitten und die von ihm angestrebte wissenschaftliche Karriere bleibt ihm verwehrt. Seine Ansichten passen den Herrschenden ganz und gar nicht. Und im Exil wird er noch radikaler. Welchen Anteil seine Frau im Hintergrund an dem Werk hat, das er schließlich schafft, lässt sich kaum erahnen. Es ist jedenfalls nicht gering. Sie, die gebürtige Baronesse und einstige „Ballkönigin“, nennt sich „sein Sekretär“, sie bringt viele seiner Manuskripte in leserliche Form, redigiert sie und gibt regelmäßig ihre Kommentare dazu, die er schätzt. Neben seinem wissenschaftlichen Werk ist ihr Mann, kein einfacher Genosse, auch politisch aktiv, als Brotjob dient der Journalismus. Auch hier hilft sie ihm, auch sie ist politisch tätig, schreibt zudem selbst gelegentlich für eine angesehene deutsche Zeitung Feuilletonartikel über ihre Exilheimat. Sieben Kinder bringt sie zur Welt, nur drei leben länger. Eine lange Zeit verbringt sie in angespannten Verhältnissen, ständig fehlt es an Geld, ein wohlhabender Freund hilft aus. Schulden nennt sie einmal das größte Gräuel, Abhängigkeit ist ihr das schlimmste Unglück. Erst als ihr Mann sein kapitales Werk zu veröffentlichen beginnt, bessert sich die Situation.

Vielseitig, kämpferisch, skandalös

Früh schon ist sie umtriebiger als eine höhere Tochter ihrer Zeit sein darf: Die Ausbildung zur Lehrerin kombiniert sie mit Schauspielstunden und als sie der Bühne nach ein paar Jahren den Rücken kehrt, macht sie in einer anderen Stadt mit einer Freundin ein Fotoatelier auf. Sie sattelt auf Jura um und muss zum Studium sogar ihr Land verlassen, dessen Universitäten Frauen damals noch nicht offen stehen. Gerade um der Frauenrechte willen aber hat sie sich für den Anwaltsberuf entschieden: Sie kämpft fürs Frauenstimmrecht und will das Bürgerliche Gesetzbuch gründlich umkrempeln, das damals – und noch lange danach – die festeste Stütze der Männerherrschaft ist. Als sie aus Protest gegen das patriarchalische Ehe- und Familienrecht öffentlich dazu aufruft, nur noch Ehen ohne staatlichen Trauschein einzugehen, ist das ein Skandal; selbst viele Frauenrechtlerinnen finden das dann doch zu radikal. Mit 75 muss sie ins Exil: Dem neuen Machthaber passte nicht nur ihr Feminismus nicht; sie hatte zehn Jahre zuvor auch – erfolglos – seine Ausweisung beantragt. Ihre letzte Heimat finden sie und ihre Lebensgefährtin in der Stadt, in der sie einst studiert hatte. Von hier aus bereisen sie noch die halbe Welt. Die Stadt, die der Gesuchten zuvor mehr als dreißig Jahre lang Heimat war – und die sie für die „vorurteilsfreieste“ Deutschlands hält – ehrt sie inzwischen Jahr für Jahr mit einem Preis, der ihren Namen trägt.Stolzer

Strolch der Großstadt

Er gilt als musikalisches Wunderkind, das, keine zehn Jahren alt, in Wien mit seinem Klavierspiel und eigenen Kompositionen Aufsehen erregt. Vergleiche mit den Größten der Zunft haben sein Leben stets begleitet: Mozart, Beethoven und Liszt soll er verwandt gewesen sein, als Schöpfergeist und Interpret. Geboren im Mutterland der Oper, avanciert der junge Musiker bald zum größten Pianisten seiner Zeit. Entsprechend unstet gestaltet sich dann auch sein Lebenswandel, bis er nach Berlin kommt. Hier wird der „Großstadtstrolch“, wie er sich selbst einmal bezeichnet, heimisch und führt das Leben eines Geistesaristokraten. Er studiert die alten Meister und sehnt sich nach der Zukunft, einer neuen Klassik. Er komponiert und unterrichtet, ohne sich durch Stile und Moden einengen zu lassen. Das macht ihn den selbsternannten Wahrern des Deutschen in der Musik suspekt. Deren nationale wie künstlerische Engstirnigkeit geißelt er, wo er nur eben kann. Dem Sinnlichkeitswahn seiner Zeit tritt er kühl entgegen – in der Musik. Privat zieht es den Familienvater zu Weib, Wein und Tabak. Sie verlängern sein Leben allerdings nicht verlängert. Er stirbt in bitterer Armut, aber umgeben von tausenden Büchern.

Mit Herz für Verzweifelte

In ihrer Heimat sind die Frauen eher blond. Sie ist eine Brünette und weiß schon früh, was sie werden will. Sie verfolgt ihr Ziel, auch wenn ihre Familie weiter darben muss, weil die Tochter keinen Lohn nach Hause bringt. Mit 20 wird sie schwanger und heimst zur gleichen Zeit erste Berufserfolge ein. Dabei sagen ihr meist andere, um wen sie sich kümmern soll. Da sind so viele Hoffnungslose, Gestrauchelte, Verzweifelte. Die Gesuchte nimmt sich ihrer an, auf bewundernswerte Weise. Hilft denen, die ganz tief im Elend versunken sind. Auch in Berlin liebt man sie dafür. Viele Menschen in Deutschland verehren sie, darunter solche, deren Wertschätzung sie nicht will. Man macht ihr Avancen, doch sie dreht sich weg. Kehrt zurück in ihre Heimat und schließt mit ihrem Berufsleben ab. Sie beginnt zu malen, zu schreiben, stellt Collagen her. Es füllt sie nicht aus. Sie grübelt viel, Depressionen stellen sich ein. Sie glaubt nicht mehr an das Glück – und traut sich dann doch, es mit beiden Händen zu greifen. Rund drei Jahre kann sie es noch genießen. Sie stirbt mit 90 Jahren.

Er folgte dem Ruf des Königs

An Geschwistern fehlt es dem Gesuchten nicht. Er ist das 25. Kind eines Ratsherren in einem kleinen, selbstbewussten Land. Seine Eltern, die früh versterben, hatten für ihn den Weg des Theologen vorgesehen. Er befolgt diesen Rat, begeistert sich aber auch für Mathematik, Botanik und Philosophie. Hinzu kommen durch seine Lehrer noch Poetik und Kunst – eine umfassende Bildung, wie für die Zeit nicht unüblich. In dieses Schema passt auch seine Anstellung als Hauslehrer bei einem reichen Kaufmann in dem Land, in dem er dann seine größten Erfolge erzielen sollte. Zunächst übersetzt er eine Naturstudie über seine Heimat, wechselt dann aber in die Hauptstadt eines aufstrebenden Königreiches, wo er Anschluss an die Gelehrtenkreise der Stadt bekommt und nach einiger Zeit in die dortige Akademie berufen wird. Der Tod seiner Frau trifft ihn hart. Nach einigen Reisen kehrt er in sein Heimatland zurück, um an seinem Hauptwerk weiter zu arbeiten, das in seinem Sprachraum das erste seiner Art ist. Doch ein Brief des Königs bewegt ihn zur Rückkehr. Er macht Karriere als Philosoph an derAkademie und unternimmt weitere Reisen nach Frankreich und Italien. Er stirbt mit 58 Jahren in seiner neuen Heimatstadt.

Lust und Wut in vielen Briefen

„Ein elendes Handwerk“ nennt sie ihre Rolle in der neuen Heimat. Sie, die stets Ungeschminkte, findet sich zwischen Höflingen, die ihre wahren Ansichten verbergen, sieht sich in der mondänen Hauptstadt isoliert und von ihrem Ehemann – beider Verbindung würde man heute eine Zwangsehe nennen – nach Kräften ignoriert. Ihr mächtiger Schwager freilich schätzt sie – und bereitet ihr zugleich den größten Kummer, als er ihre Heimat mit einem brutalen Eroberungskrieg überzieht, in der auch die Stadt ihrer Geburt verwüstet wird. Die Schäden sind bis heute zu besichtigen. Kummer, Einsamkeit und Wut, aber auch ihre Lust am Beobachten bearbeitet sie auf höchst moderne Weise: Sie schreibt. 60000 Briefe soll sie verfasst haben, die meisten an eine Tante und eine Halbschwester. Nur ein Teil, immerhin einige tausend, sind erhalten geblieben. Ihre farbigen Schilderungen sind nach wie vor von hohem Wert für die Geschichtsschreibung. Auch politisch bringt sie es kurzfristig weit: Als ihr Sohn eine Zeitlang die Regierung führt, ist sie erste Dame ihres Landes Einer ihrer Nachfahren wird selbst König. Fans hat sie bis heute. Ein Landsmann, der fast 300 Jahre nach ihr über dieselbe Grenze geht und in seiner und ihrer zweiten Heimat zu Ruhm kommt, sammelt ihre Briefe. Man nennt ihn spöttisch und ehrfurchtsvoll den „Großen“.

Ein Mann, der Schiffen Namen gab

Fünf Vornamen sind zu seiner Zeit nichts Besonderes. Schon gar nicht in der Familie, in die der Gesuchte in der ersten Hälfte des 18.Jahrhunderts hineingeboren wird. Der aus dem heutigen Sachsen-Anhalt stammende Mann macht bereits in jungen Jahren Karriere, die ihn auch über die Grenzen Preußens hinaus führt. Vielfach ausgezeichnet lernt er schließlich in Frankreich einen Diplomaten kennen, der ihn wegen seines erlernten Handwerks seinem obersten Dienstherrn empfiehlt. Der Gesuchte macht sich danach auf den weiten Weg in ein Land, das er bis dahin aus eigener Anschauung nicht kennt und bekommt dort eine Stellung in einer zu der Zeit ziemlich maroden Organisation. Mit seinen in Europa erworbenen Fertigkeiten führen seine Bemühungen rasch auf den Erfolgspfad, was ihm erneuten Ruhm einbringt. Gleichwohl muss er nach Erledigung seiner Aufgaben lange darum kämpfen, eine angemessene finanzielle Regelung für seinen Ruhestand zu erwirken, den er bis zu seinem Tod als 64-Jähriger kurz vor Ende des 18.Jahrhunderts fern der Heimat verbringt. Noch heute sind hüben wie drüben öffentliche Gebäude, Straßen, Plätze oder auch Schiffe nach ihm benannt. Ein Mal im Jahr gibt es in seiner Wahlheimat bis dato ein großes Fest, das seinen Namen trägt.

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