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ABITUR 2008: Schlag zur letzten Stunde

Zurzeit sind die Abiklausuren: Prüfungsangst, skurrile Aufgaben und lange Nächte des Lernens. Unsere Autoren erinnern sich an die Zeit ihres Abiturs – und sind froh, dass sie vorbei ist

Kurz vor den Abiklausuren noch schnell die Weisheitszähne rausoperieren lassen? Super Idee. Mit dick geschwollenen Wangen habe ich über meinen Bio-Büchern gehangen, links ein Becher kalter Kamillentee mit Strohhalm, rechts ein Beutel mit Eiswürfeln. Wenn eine Fruchtfliege mit roten Augen sich mit einer Fruchtfliege mit weißen Flügeln paart, wie groß ist dann die Wahrscheinlichkeit, dass die Fliegenkinder sowohl rote Augen als auch weiße Flügel haben? Es war mir total egal. Dass ich in der Abivorklausur eine Fünf geschrieben hatte, machte mich nicht gerade entspannter. Warum ich mich überhaupt für Biologie-Leistungskurs entschieden hatte? Ein großes Rätsel. Am Tag vor der Klausur bekam ich die Fäden aus meinem Kiefer gezogen. Fünf Stunden lang habe ich tags darauf Blut geschluckt – und schlaue Dinge über verhaltensgestörte Gänse geschrieben. Neben der Schule gab es tatsächlich einen Stall mit vielen Gänsen, die während der Klausur ständig schnatterten. Das hat vielleicht geholfen: Ich schrieb eine Drei.Katja Reimann

Da saßen sie. Erwartungsvoll. Und wie ich mir einbildete: mit finsterem Blick. Ich weiß nicht mehr, wie viele es genau waren. In meiner Erinnerung ist es ein ganzer Kampftrupp. Auf jeden Fall zu viele Männer von genau der Spezies, die mir seit der fünften Klasse mehr als unheimlich war: Mathelehrer. Mündliche Nachprüfung, Vektorrechnung. Freiwillig, um die Abi-Gesamtnote aufzubessern. Ja, tatsächlich freiwillig, obwohl Zahlen noch nie so recht in die Windungen meines Gehirns passten. „Du kleine Butterhexe“ hatte einer von ihnen mich immer in der sechsten Klasse genannt, wenn es nicht schnell genug ging mit dem Rechnen. Und ein anderer war der stellvertretende Direktor, mit dem ich vorher noch nie ein Wort gewechselt hatte. Mit seinem Schnauzbart sah er aus wie jemand auf einem alten Fahndungsplakat.

Das alles ging mir durch den Kopf als ich da stand an der Tafel und Vektoren erklären sollte. All das, aber keine Zahlen. Der Kloß im Rachen wurde immer dicker. Wie im Albtraum – nur dass Aufwachen keine Option war. Die Gesamtnote blieb dann wie sie war. Wenigstens gab es keinen Punktabzug.Daniela Martens

Im Rückblick verbinde ich mit meinem Abitur nicht viel mehr als einen Block Traubenzucker. Was hatten wir uns damals, Anfang 2005, vorbereitet. Auf den großen Tag. Auf die großen Tests. Auf DIE Prüfung. Und dann war alles wie immer. Nur der Traubenzucker war neu.

Die Tische und Stühle standen sauber in Reih und Glied, der Lehrer stand im Fischgrat-Sakko davor und die Aufgabenblätter lagen darauf. Alles wie immer. Der Mythos Abitur, das Besondere, nach nur einer Minute verflogen. Die Tests liefen doppelt so lang, wir schrieben doppelt so viel – die wenigsten nur doppelt so klug. Schwerer war es nicht. Exklusiv für die Prüfungen hatten sich einige von uns einen Block Traubenzucker auf den Tisch gestellt. Als Hirnnahrung. Für DIE Prüfung. Es ist das Einzige, das mir von damals in Erinnerung blieb.

Stehe ich heute vor großen Prüfungen, denke ich erst an den Traubenzucker. Und dann, dass es allzu schlimm nicht werden wird. Das entspannt.Tim Klimeš

Ich konnte die vollständige existierende Sekundärliteratur zu Shakespeare auswendig und hatte mir eine zweistellige Zahl Argumentationsführungs-Formulierungen gemerkt, die ich zwar nur zur Hälfte verstand, mit deren Hilfe die Textanalyse meiner Abiklausur im Fach Englisch aber dennoch zum Kinderspiel werden sollte. Vor Aufregung hatte ich nicht gefrühstückt und auch auf die Mitnahme von Proviant verzichtet. Nach zwei Stunden fingen die anderen an, Stullen und Schokoriegel in sich hinein zu stopfen. Nach zwei Stunden hatte ich furchtbaren Hunger, nach drei Stunden war ich einer Ohnmacht nahe und nach dreieinhalb Stunden musste ich unterzuckert meine Klausur abgeben weil ich essen musste. Meine Lehrerin sagte später: „Sie hätten die Klausur noch mal durchlesen sollen…aber Ihre Formulierungen zur Textanalyse waren toll!“ Reicht doch. Elena Senft

Und wie war’s bei euch? Mailt uns:

werbinich@tagesspiegel.de

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