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Panorama: Frischer Schwung aus den USA

Leserin Petra Steinborn ging nach Las Vegas

Meine Schulkarriere begann in der dritten Klasse mit drei Fünfen in Heimatkunde, Deutsch und Rechnen. Ich blieb sitzen. Kurze Zeit danach, 1963, wurde ich in ein Kinderheim eingewiesen, weil meine Mutter sehr krank war und sich nicht länger um mich kümmern konnte. Auch im folgenden Schuljahr gab es jene drei Fünfer auf dem Zeugnis, mit denen ich dann jedoch versetzt wurde.

In den ersten Schuljahren glänzte ich also nicht gerade. Nach dem Tod meiner Mutter wurde ich 1965 für ein Jahr nach Las Vegas geschickt. Es gab damals das staatliche Programm, mit dem man Waisenkindern „einen Platz an der Sonne“ bieten wollte. Und ich hatte Glück. Ich, das Kind aus dem Heim, lebte in einer amerikanischen Rechtsanwaltsfamilie! Das war natürlich eine ganz andere soziale Schicht, die ich da kennen lernte. Dazu kam, dass diese Familie und die Lehrer in der Schule, in der ich mit meiner amerikanischen Schwester die siebte Klasse besuchte, mir sehr viel offener und freundlicher begegneten als ich es von Deutschland gewohnt war. Es galt nicht nur, was auf dem Zeugnis stand, die Lehrer hatten die ganze Person im Blick. So konnte ich mich mehr schlecht als recht durchschlagen. Am Anfang konnte ich ja kaum Englisch, und in Berlin wäre ich erst in die fünfte Klasse gekommen.

Als ich nach Berlin zurückkam, sprach ich besser Englisch als Deutsch. Es fanden sich deutsche Adoptiveltern, die mich zu sich nahmen. Von ihnen lernte ich, dass meine Schulkarriere mein ureigenstes Interesse ist. Sie brachten mich auf die deutsch-amerikanische John F. Kennedy Schule. Das war das nächste große Glück. Denn die beiden Direktoren ließen es zu, dass ich die fünfte und sechste Klasse nicht nachholen, sondern lediglich die siebte Klasse wiederholen musste. Viele Lehrer auf der Kennedy-Schule waren auch sehr motivierend, so wie ich es in den USA kennen gelernt hatte: Sie lobten mich, wenn ich etwas gut gemacht hatte und schimpften mich nicht noch zusätzlich aus, wenn etwas misslang. Mit Hilfe meiner Adoptiveltern gelang es mir, meinen Notendurchschnitt bis zum Abitur kontinuierlich zu steigern. Ich bestand das Abi regulär nach insgesamt 13 Schuljahren.

Was ich daraus gelernt habe? Es ist nie zu spät, Kinder zu fördern. Dazu gehört, auch mal ein Auge zuzudrücken und im Zweifelsfalle auch eine bessere Note zu geben, wenn dahinter Fleiß zu erkennen ist. Ich habe erlebt, wie mich Menschen mit dieser positiven Einstellung trotz anfänglichen totalen Versagens gefördert und gefordert haben. Immerhin habe ich eine sechste Klasse als Schülerin nie von innen gesehen. Nach dem Abitur habe ich Pädagogik studiert und leite heute eine Jugendfreizeiteinrichtung in Mariendorf.

Bei meinen beiden Kindern merke ich, dass in den Schulen heute nur noch das pure Leistungsprinzip gilt. Dort würde ich wahrscheinlich keine Chance bekommen.

Aufgezeichnet von Claudia Keller.

Petra Steinborn ist 51 Jahre alt und leitet das Kinder- und Jugendhaus „KiJuM“ in Mariendorf.

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Petra Steinborn (51) war zunächst eine schlechte Schülerin. Dann ging sie 1965 für ein Jahr in die USA. Die Lehrer dort motivierten sie so sehr, dass sie danach das Abitur schaffte.

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