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Panorama: ICH WAR IN THERAPIE

Mit zwölf fing ich an, mich selbst zu ritzen. An den Armen, an den Beinen, erst mit den Fingernägeln, dann mit Messer und Rasierklinge.

Mit zwölf fing ich an, mich selbst zu ritzen. An den Armen, an den Beinen, erst mit den Fingernägeln, dann mit Messer und Rasierklinge. Was genau der Auslöser war, kann ich nicht mit Bestimmtheit sagen. Vielleicht der Streit mit meinem besten Freund. Vielleicht das schlechte Verhältnis zu meinen Eltern. Jedenfalls spürte ich eine unfassbare Wut in mir und brauchte ein Ventil, um sie abzulassen. Das Ritzen verschaffte mir Erleichterung, der Schmerz fühlte sich auf absurde Weise gut an. Um meine Narben zu verstecken, ich trug nur langärmelige Sachen, auch im Sommer. Irgendwann hat mich meine Mutter beim Ritzen erwischt, es gab ein großes Theater. Sie warf mir vor, ständig Scheiße zu bauen. Danach schickte sie mich in psychotherapeutische Behandlung. Ein halbes Jahr bin ich da einmal die Woche hingegangen. Aber die Gespräche mit der Therapeutin fingen an zu nerven. Ich brach die Behandlung ab. Mittlerweile habe ich mich einigermaßen im Griff. Die Narben sind verheilt, geritzt habe ich mich seit längerem nicht mehr. Das Problem habe ich vor meinen Lehrern und Mitschülern geheim gehalten. Die hätten sonst vermutlich gedacht, ich sei verrückt. Oder – noch schlimmer – Emo.

Marie, 16

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